Die "Ewige Stadt" wurde für Franz König zeitweise zu einer richtigen zweiten Heimat, vor allem in der Zeit des Konzils. Sie war aber schon seit seinen Studienjahren für ihn ein besonderer Ort geworden und sie beeinflusste auch sein Verständnis der Theologie.
Entscheidend geprägt hat den jungen Mann auch der Geist des Germanicums. Später erinnerte er sich: "Wir wurden erzogen zu einer Haltung der Eigenständigkeit, der Selbstverantwortung und einer geistigen Öffnung im Sinne einer übernationalen Kirche."
Aber der Aufenthalt in Rom wurde auch in anderer Hinsicht entscheidend für ihn. Gleich in den ersten Wochen seines Aufenthaltes führte ihn sein Weg auf das Kapitol. Mit seinen Mittelschulvorstellungen über das römische Weltreich im Herzen blickte er auf das Forum Romanum hinunter – und erzählte immer wieder:
"... in meiner Vorstellung hatte ich das Bild von prächtigen Bauten und Straßen dieses Nervenzentrums des riesigen Reiches vor Augen - stattdessen aber sah ich ein riesiges Trümmerfeld. Damals dachte ich mir: Das also ist das alte Rom. Das ist Geschichte. Hier sind die Reste einer großen Vergangenheit, Dinge, von denen ich in der römischen Geschichte so viel gelernt habe, aber in Form von Ruinen. So vergehen also die Dinge in der Geschichte, so verändern sich die Verhältnisse. Sic transit gloria mundi, würde ich heute sagen. Das Zerbrechliche, das Vergängliche der Welt und der Menschen! Das hat mich damals sehr beeindruckt."
In dieser Zeit begann er sich auch mit John Henry Newman, dem großen Konvertiten und Kardinal, zu beschäftigen, der ihn entscheidend beeinflusste, in seiner geistigen Entwicklung führte. Er bewunderte an ihm sein psychologisches Herangehen an die Dinge, verglich ihn mit Augustinus und bezeichnete ihn oft als den Augustinus des 19. Jahrhunderts.
In diesen ersten Rom - Jahren fiel auch seine endgültige Entscheidung für den priesterlichen Weg. Aber sein geistlicher Werdegang entfaltete sich aus dem intellektuellen Fortschritt. Wie er selbst sagte, war es der Verstand, der ihm das Herz öffnete. Er verwies dabei auf jene bekannte - nach seinen Worten - so poetische Erzählung des Lukasevangeliums vom Emmausgang, wo Jesus zu den beiden Jüngern, die ihn trotz ihres intensiven Gesprächs mit ihm nicht erkannten, - damals in einer noch älteren Übersetzung - sagte: "O ihr Unverständigen von langsamer Fassungskraft" (heute würde man sagen: Begreift ihr denn nicht?) und er schloss daran an:
"Diese Stelle des Evangeliums, aus der klar wird, dass die beiden Jünger trotz ihres intensiven Gesprächs Jesus nicht erkannten, veranschaulicht den inneren Werdegang, der mich zu der Erkenntnis führte, dass Gott mein Vater und Jesus Christus mein Erlöser ist. Mein Studium verhinderte, dass mein Geist 'unverständig' und mein Herz 'von langsamer Fassungskraft' wurden. Wenn ich: mit 'unverständigem' Geist übersetze, so verwende ich eine beschönigende Ausdrucksweise. Der lateinische Text sagt 'stulti', das heißt 'töricht, einfältig'. Jesus erinnert uns mit seinen Worten nachdrücklich daran, dass unsere religiöse Bildung in Einklang mit unserer intellektuellen Entwicklung sein müsse."
Die ersten Christen, von denen in der Apostelgeschichte geschrieben steht, dass sie alles gemeinsam hatten, meinten damit nicht nur ihre materiellen Güter, sondern auch jenen Anteil an Wahrheit, den die Liebe Gottes von einem zum anderen übergehen lässt. "Diese Art geistiger Osmose war es auch", so der Kardinal, "die mich durch die Lektüre Newmans so reich werden ließ. Je mehr ich in der Analyse meiner Berufung fortschritt, desto mehr verstand ich, dass er es war, dem ich sie letztlich verdankte." Und doch, weil eben das Dasein des Menschen ein Gang der Seele zu Gott mit allen Höhen und Tiefen ist, empfand der junge Mann oft ein tiefes Gefühl der Furcht, Zweifel, oft sogar eine wachsende Angst, in dieser Welt keine Ordnung zu finden.
Damals begann er - warum, wusste er später nicht zu sagen -, die Metaphysik des Aristoteles in griechischer Sprache zu lesen und dazu die lateinischen Erläuterungen des hl. Thomas von Aquin, dessen Sprache, wie er empfand, in all ihrer Einfachheit so wunderbar ist. Er hat dieses Schlüsselerlebnis immer wieder erzählt, zwei Wochen vor seinem Tod erzählte er es noch einmal: "Nach einem Jahr im Germanicum war ich unzufrieden, ich hatte ein geistiges Tohuwabohu in meinem Innern", so drückte er es aus.
"Im Sommer fuhr ich nicht nach Hause, sondern blieb unten in Rom - ich spielte in dieser Zeit sehr viel Handball mit dem späteren Erzbischof von Zagreb, Stepinac und machte Wanderungen, ich betrieb viel Sport. Im zweiten Jahr meines Philosophiestudiums kam mir - zufällig - in die Hände ein dicker Wälzer - die Metaphysik des Aristoteles und ein Überblick über die Zusammenfassung des Wissens Aristoteles durch Thomas von Aquin und sein Kommentar dazu... - und so bin ich gesessen, links Thomas von Aquin, rechts Aristoteles... und habe jeden Morgen eine Seite gelesen, das hat mich sehr beeindruckt, Aristoteles als Koryphäe der griechischen Philosophie, Thomas von Aquin als scholastische Koryphäe, - es war ordnend, klärend - ich fragte mich: was haben mir diese beiden Männer zu sagen? Gerade zu Ostern war ich damit durch, ich kam zum letzten Kapitel, wo Aristoteles seine letzte Erklärung zusammenfasst: alle Bewegung im Kosmos muss eine letzte Ursache, einen ersten unbewegten Urheber, einen 'Beweger', gehabt haben, - und Thomas von Aquin fügt erklärend hinzu: 'Das einzige Sein, das seine Kraft aus sich allein schöpft, nennen wir Gott - er sei gebenedeit in Ewigkeit, Amen!'"
"Und", - so der Kardinal weiter, -
"eben in diesen Augenblicken hörte ich durch das geöffnete Fenster, vor dem ein mit weißen Blüten übersäter Kirschbaum seine Äste in den blauen Himmel streckte, - das Glockengeläute von einer nahe gelegenen Kirche, es waren wohl die Osterglocken, es war, glaube ich, Ostersonntag. Und diese unglaubliche Schönheit der Schöpfung, die ich in diesem Moment so stark empfand, - der blaue Himmel, die weißen Blüten, - vereinigte sich mit diesem Glockengeläute. Damals schlossen sich für mich die geistigen Brücken, ich fühlte einen tiefen inneren Frieden in mir aufsteigen, eine tiefe Freude und ich verstand plötzlich: es steckt ein Strukturprinzip im Weltall, eine große Ordnung, vom Mineral ausgehend bis hin zu Gott. Ich kann, zum Beispiel, aus Wasser keinen Tisch machen usw. Das Sein wird auf jeder Stufe durch eine Kraft bewegt, die nicht aus ihm kommt, Gott allein ist das einzige Sein, das seine Kraft aus sich schöpft. Alles kommt von Gott, diesem 'motor non motus', den niemand antreibt und der doch die ganze Schöpfung und alle Geschöpfe in diese Bewegung mit hineinzieht. Und die griechische Philosophie, das war mir klargeworden, endete dort, wo sie der christliche Glaube überschreitet. Ich habe diese tiefe Freude, diese Zufriedenheit, diesen tiefen inneren Frieden bis auf den heutigen Tag nicht vergessen."
Damit waren auch die Würfel gefallen. Der weitere Weg war klar. Die Einheit von Leben und Glauben als Frucht der Faszination des Glaubens, im Vertrauen auf Gott, wurde untermauert durch die Faszination der Wissenschaft. Das Studium der Religionswissenschaft, die Methodik des Forschens als Hilfsmittel zur Erkenntnis bildete einen der Grundpfeiler seiner geistig-geistlichen Person, die die Theologie als eine Integrativwissenschaft verstanden wissen wollte, die an den Ergebnissen der Einzelwissenschaften nicht vorbeigehen kann.
1930 wurde er zum Dr. phil. promoviert und am 29. Oktober 1933 in Rom, in der Kirche des ebenfalls von Jesuiten geleiteten südamerikanischen Kollegs (Pio Latino Americano) vom damaligen Generalvikar von Rom, Kardinal Marchetti-Selvaggiani, zum Priester geweiht. Am 1. November feierte er seine Primiz.
In seinem englischen Brevier, das er mit zunehmendem Alter bevorzugt betete, befindet sich ein kleines Textblatt mit einer Meditation von Kardinal Newman. Hier heißt es – und diese Grundschau hat sich Kardinal König, beginnend mit dem Tag seiner Priesterweihe, im Lauf seines Lebens ganz zu eigen gemacht:
"God has created me to do Him some definite service; He has committed some work to me which He has not committed to another. I have my mission – I may never know it in this life, but I shall be told it in the next." ("Gott hat mich erschaffen, um ihm in einer ganz bestimmten Weise zu dienen. Er hat mich verpflichtet eine ganz bestimmte Arbeit zu tun, die er niemand anderem übertragen hat. Ich habe meine Mission – und wenn ich sie in diesem Leben niemals erkennen werde, dann wird es mir im nächsten Leben gesagt werden.")