Fronleichnam 1990: "Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben''
Wir haben uns hier, im schönen Garten der Barmherzigen Schwestern, reich an Blumen und blühenden Bäumen, versammelt, um miteinander am hohen Fronleichnamsfest Gottesdienst zu feiern. Im Anschluss daran wollen wir als Fronleichnamsprozession zurückkehren in unsere Pfarrkirche. So tragen wir das ''Geheimnis unseres Glaubens'' durch ein Stück der Straßen unserer Pfarrgemeinde und unseres Heimatbezirkes in Wien.
Ich möchte Sie daher alle herzlich im Namen des Herrn zur Teilnahme an unserer Fronleichnamsprozession, in der in unserer Pfarre üblichen Form, einladen. Es soll dies zugleich auch ein äußeres Zeichen unserer Gefolgschaft im Glauben sein. Und wir wollen auch miteinander dem Herrn unsere Anliegen vortragen. Denn wir wissen: ''wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind'' - und ich füge hinzu - unterwegs sind, - ''dort bin ich mitten unter ihnen''.
Wir wollen in unseren Fronleichnamsgottesdienst aber auch unsere Kranken und Patienten, hier im großen Krankenhaus, mit einschließen. Sie können auf die eine oder andere Art ebenfalls mitfeiern. - Liebe Kranken, Eure Teilnahme ist für uns alle ein besonderer Ansporn, Euch und Eure Anliegen, Eure Genesung, besonders in unser aller Gebet einzuschließen. Mit Euch wollen wir aber auch die Ärzte und Schwestern mit einschließen, die wie Ihr wisst, mit vorbildlicher Hingabe Euch in den Krankenabteilungen betreuen.
Im heutigen Evangelium haben wir gehört: ''...jeder, der mich isst, - das heißt, mein Brot isst, - wird durch mich leben'', oder, mit anderen Worten: ''Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben''.
In den vergangenen Jahrzehnten ist die Sorge um das tägliche Brot fast in Vergessenheit geraten. Die Kostbarkeit des Brotes kam fast nicht mehr zum Bewusstsein. Doch seither zogen mehr und mehr Gewitterwolken auf - ein Blick über unsere Grenzen macht uns nachdenklich - sodass wir nach dem täglichen Brot in neuer Weise fragen gelernt haben. Wenn die Wälder sterben, sterben dann nicht auch die Felder? Woher werden wir das Brot nehmen, wenn die Felder den Ertrag versagen, weil der Boden verwüstet ist? - Der Glaube an den Fortschritt allein hat seine Überzeugung verloren. Wir beten wieder um das irdische tägliche Brot. Aber die wachsenden Sorgen und Probleme bringen uns auch wieder zum Bewusstsein, dass der Mensch ohne das ''geistige Brot'' nicht leben kann. Wir brauchen wieder jenes spirituelles Brot, das unsere Seelen stärkt. Wie viel seelische Kraft brauchen doch jene Familien, in denen der Vater arbeitslos geworden ist. Was für eine seelische Kraft ist notwendig, um nach einer zerbrochenen Ehe durchhalten zu können. Wie viel seelische Stärkung brauchen jene Kinder, deren Eltern sich haben scheiden lassen.
Mit unserer Fronleichnamsprozession wollen wir unserem Bezirk, unserer Stadt jenes Brot zeigen, von dem wir wieder stark werden können. ''Ich bin das Brot des Lebens'', sagt Christus. Wenn wir ihn im Glauben in unser Leben aufnehmen, dann gibt er uns göttliche Lebenskraft. Wer ihn aufnimmt, der erkennt einen Weg, wo andere längst schon vor einer Mauer stehen. Wer seine Seele mit dem Worte Gottes nährt, der wird von innen her stark.
Und noch etwas: Wir werden die Kraft brauchen, zum Teilen und zum Opfern. Wir werden die Lasten miteinander tragen müssen; In den letzten Wochen hat die sogenannte ''Flüchtlingsfrage'' das ganze Land bewegt und beschäftigt. Wer einmal in seinem Leben auch nur wenige Stunden ohne Heimat und Brot gewesen ist, der weiß, was das bedeutet. In unserem Land scheint es manchmal, als ob unser Egoismus als Wohlhabende kein Verständnis aufkommen lassen will für jene, die aus irgendwelchen Gründen bei uns Schutz suchen; gewiss kann es auch Abenteurer geben, die keinen Anspruch auf unsere Hilfe haben; diese sind wohl zu unterscheiden von jenen, die aus echter Not, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit an unsere Grenzen gekommen sind.
Das Teilen ist eines der ersten Gebote für diejenigen, die als Christen leben wollen; aber es kann nur dann im rechten Geist gelingen, wenn wir immer mehr aus dem Geist Christi heraus leben, ja, uns von seinem Geist leiten lassen. Die seelische Kraft, die dann daraus erwächst, kommt von oben her. Sie stammt von Gott: nehmt daher dieses Brot des Lebens auf, es gibt euren Seelen Kraft.
In diesen Zeiten werden wir oft gefragt, wie wir einigermaßen eine Einheit und Gemeinschaft sein können. Das wird nur gelingen um den Preis des Opfers. Zu einem solchen Opfer für andere werden vor allem jene bereit sein, die eine unerschütterliche Hoffnung haben, eine Hoffnung, die im Ewigen gründet. Unsere Hoffnung ist Christus, der Herr. Er ist die Auferstehung und das Leben.
Wenn wir nur in irdischen Begriffen denken, dann hat das Opfer keinen bleibenden Platz in unserem Leben. Denn der Ungläubige sagt sich: ''Warum soll ich für andere verzichten, wenn ich nur einmal lebe und nur hier lebe''.
''Brot vom Himmel hast du uns gegeben''. - Dieses Brot zeigen wir unserer Stadt auch noch aus einem anderen Grund: Dieses Brot, das uns Gott gibt, ist nicht ''mein Brot'' und nicht ''dein Brot'', sondern es ist ''unser Brot'', wie wir im ''Vater unser'' beten: Unser tägliches Brot gib uns heute. - Wenn wir uns von diesem Brot nähren, so stärken wir nicht nur uns selber, sondern wir stärken damit, durch unser Zeugnis, alle, die mit uns auf dem Wege zu Gott hin sind. Und so wie durch das irdische Brot das Leben des Leibes erneuert wird, so wird durch das Eucharistische Brot nicht nur der Einzelne im Glauben gestärkt, sondern alle anderen, mit denen wir, durch den Geist Gottes verbunden, zusammenleben.
In der Kraft dieses Brotes bitten wir dich, Herr, um deinen Segen für diesen Bezirk und seine Bewohner: bleibe bei uns und unserer Pfarrgemeinde, wo sich viele bemühen, deinen Willen zu tun.