Osternacht 2002
Im Bericht über Jesu Passion, wie sie bei Matthäus aufgezeichnet ist und wie wir es im Evangelium gehört haben, heißt es: Die beiden Frauen hörten eine Stimme: "Geht schnell zu seinen Jüngern und sagt ihnen: Er ist von den Toten auferstanden!" Die Frauen, so heißt es, "eilten in Furcht und großer Freude zu den Jüngern." Und im Bericht des Evangelisten Lukas - nicht des Matthäus - wird auch die Reaktion der Jünger kurz geschildert, wörtlich: Die Apostel "hielten das alles für ein Geschwätz und glaubten es nicht".
Das ist sozusagen ein dramatisches Für und Wider gleich am ersten Tag des Auferstehungsberichtes. Und dieses Für und Wider wandert mit der Geschichte weiter bis zum heutigen Tag. Das einfache Volk in Jerusalem jener Tage - so Matthäus 21,1-11 - bereitete dem zum Paschafest in die Hauptstadt Jerusalem einziehenden Jesus einen begeisterten Empfang. Sie riefen ihm zu: "Gesegnet sei, der da kommt im Namen des Herrn!" Das war ein begeistertes Für ihn und kein Gegen ihn. Die Stadtväter aber im Hohen Rat zu Jerusalem sagten: Der Mann wird uns gefährlich, er muss sterben. Und nach der Ordnung der römischen Exekutive stirbt er am Kreuz. Das war ein Protest gegen ihn auf Leben und Tod.
Und die Botschaft von Jesus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen, wandert von Kleinasien über Griechenland und Mazedonien bis Rom. Und die Herren in Rom sagten sich: Wir fürchten nichts, aber diese Sekte scheint doch gefährlich zu werden. Wir werden sie mit allen Mitteln bekämpfen und vernichten. Das war eine gewaltige Drohung gegen Christus und seine Anhänger im großen Römerreich.
Und zweihundert Jahre später bricht Rom zusammen und die Christen erben das Römische Reich. So hat die Geschichte nicht gegen Jesus, sondern für ihn entschieden und Zeugnis abgelegt. - Auf diesem Wege erwuchs in der Folge der europäische Kontinent und übernahm das Christentum mit seinen großen Gestalten, wie etwa Benedikt von Nursia. Die romanischen, gotischen, barocken Bauten und Kunstwerke geben dafür Zeugnis. Sie sprechen für Christus und seine Auferstehung als Weg, und trotz allen menschlichen Versagens nicht gegen ihn. Der Kontinent wird später aufgeklärt und entscheidet sich für Wissenschaft, Fortschritt und Technik. Das an sich wäre nicht nur negativ zu sehen. Aber wenn die Wissenschaft - im vergangenen Jahrhundert die Atomphysik, heute die Biomedizin, die Genforschung - ihre gewaltige Eigengesetzlichkeit entwickelt, so ist es immer der Mensch in seiner Freiheit, der die Möglichkeit hat, solche Entdeckungen zum Guten oder zum Bösen einzusetzen, auch dann, wenn dies - wie zum Beispiel in der Biomedizin - an das Geheimnis des Lebens rührt. Nicht der wissenschaftliche Fortschritt hat ein doppeltes Gesicht, ein gutes oder ein böses, sondern der Mensch ist es, der sich für das Gute, aber auch für das Negative entscheiden kann. Und damit erscheint auch die Botschaft des Auferstandenen in einem neuen Licht. Wer sich für den Auferstandenen und seinen Weg entscheidet, will das Gute in der Welt stärker machen als das Böse. Sich für oder gegen ihn zu entscheiden, erhält heute eine neue Aktualität. Und wir alle, die wir schon lange oder vielleicht noch nicht lange in Glaubensgemeinschaft mit ihm sind, wir stellen fest: die Botschaft von Ostern, die wir im Wissen wie im Glauben annehmen, gibt uns die Antwort auf die letzten großen Fragen, die uns beschäftigen: Woher komme ich, wohin gehe ich und welchen Sinn hat mein Leben?
Zu Ostern spricht man - neben der Auferstehung - ebenso über das Sterben Jesu am Kreuz nach römischem Gesetz. Sterben und Auferstehung sind allerdings nicht zwei getrennte Ereignisse, sondern Sterben und Auferstehung sind untrennbar miteinander verbunden. Und wenn früher im Krankenhaus die Betreuung dort aufhörte, wo das Sterben begann, wenn Sterbende hinter einem Vorhang ihrer Einsamkeit und ihrem Sterben überlassen wurden, so hat sich dies heute überraschend und wesentlich durch die Hospizbewegung geändert: das Sterben ist heute nicht mehr tabu, aktive Sterbehilfe, wie sie mancherorts als Lösung verlangt wird, ist ein Irrweg. Heute gehört es zum Dienst an den Kranken, die Sterbenden leiblich und seelisch menschlich zu begleiten bis zum Ende ihres Weges.
Das Wissen und der Glaube an die Osterbotschaft berührt damit unsere menschliche Lebenswelt und das Osterfest ist heute mehr als früher Gewähr dafür, dass am Ende das Leben über den Tod, die Wahrheit über die Lüge, die Gerechtigkeit über das Unrecht, die Liebe über den Hass und selbst über den Tod siegen wird.