Priesterjubiläum 2003 des Weihejahrganges 1968
Liebe Freunde des Weihejahrganges 1968! Meine lieben Mitfeiernden - Verwandte, Freunde, Pfarrangehörige - an diesem schönen Gedenkgottesdienst!
Um den schönen, neuen Altar von St. Gertrud versammelt, denken wir an diesem festlichen Abend, dem Gedenktag des hl. Johannes des Täufers, an den Altar in St. Stephan, um den wir vor 35 Jahren versammelt waren.
Heute geht es um Johannes den Täufer, der als Wegbereiter des Herrn den Alten Bund abschloss und die Wege bereitete für den Neuen Bund. Damals, vor 35 Jahren, als ich Euch, meine lieben Konzelebranten, als Bischof und Mitglied des Kollegiums der Apostel in der Domkirche zu St. Stephan die Hände auflegte, ging es darum, euch mit hineinzunehmen in den der Kirche von Wien gegebenen Auftrag. Das heißt, jener Auftrag, den der gekreuzigte und auferstandene Herr seiner Kirche gegeben hat: Geht auch Ihr hinaus in alle Welt und verkündet die Frohe Botschaft allen Geschöpfen; das heißt, in unserem Falle, in der Wiener Erzdiözese.
Predigt von der Priesterweihe 1968
Damals, als ihr zu Priestern geweiht wurdet, war das drei Jahre zuvor zu Ende gegangene Konzil noch sehr lebendig in unserem Bewusstsein. Unvergesslich geblieben ist uns allen die Ansprache Papst Johannes XXIII. bei der Eröffnung des Konzils; er sagte damals wörtlich: "Hört nicht auf die Unglückspropheten, die in den modernen Zeiten nichts zu sehen vermögen als Unrecht und Untergang ...". Das war ein Signal, das uns allen damals Mut und Hoffnung gab, im Dialog mit der Welt von heute. Trotz aller kritischen Bemerkungen, die oft im Zusammenhang mit diesem Konzil laut wurden und auch heute noch werden, hat dieses Konzil eine besonders große Bedeutung für die Geschichte, ja, in dem Fall sogar für die Weltgeschichte und das Ansehen der Kirche bekommen. - Aber Euphorie und Kritik sind eine beständige Begleiterscheinung des Weges der Kirche. Wichtig aber ist es, sich dadurch nicht verunsichern zu lassen und immer den Weg der Mitte zu suchen. Übrigens sind die Schwierigkeiten, die mit der Rezeption eines Konzils in der Kirche verbunden sind, eine Folgeerscheinung aller großen Konzilien der Kirche gewesen.
Fünfunddreißig Jahre sind eine lange und eine kurze Zeit. Eine kurze Zeit in der Geschichte der Kirche; eine lange Zeit, in der Ihr die Jahre Eures Lebens und Eurer ganzen Schaffenskraft investiert habt. Es waren schöne und verantwortungsvolle Jahrzehnte zugleich, die wie ein pfingstliches Ereignis tief in Euer Leben hineingeschrieben bleiben: "Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich Euch." - Dies ist der Auftrag Christi, der mit der Geschichte der Kirche wandert bis zum Ende der Zeit. Und um die Verbindung der Sendung, der priesterlichen Sendung mit Christus zu unterstreichen, hat er hinzugefügt: Wer Euch hört, der hört mich und wer Euch verachtet, der verachtet mich. - Mit diesem Auftrag schreitet die Kirche zuversichtlich durch die Zeiten.
Denn hinter unserem Auftrag steht ja das, was Paulus seinem Schüler Timotheus geschrieben hat: "Ich beschwöre dich bei Gott und Jesus Christus ... verkünde das Wort, tritt dafür ein, ob man es hören will oder nicht; weise zurecht, tadle und ermahne unermüdlich. Denn es wird eine Zeit kommen, in der man die gesunde Lehre nicht erträgt, sondern sich nach eigenen Wünschen immer neue Lehrer sucht". Und - so füge ich hinzu - das traf in der Kirche immer zu, das trifft für uns auch heute zu, in der Zeit der Medien und oftmals gelenkten scheinbaren Pluralität der Meinungen.
In den vergangenen 35 Jahren habt Ihr wohl erkannt, dass es allerdings niemandem nützt, wenn man nur den Unglückspropheten sein Ohr leiht oder sich in der Seelsorge durch solche beunruhigen lässt. Die Kirche, die Gemeinschaft unseres Glaubens, befindet sich immer im Schussfeld der Kritik, nicht nur von außen, sondern mitunter auch von innen. Damit möchte ich aber hinzufügen, dass nicht jede Kritik von vorneherein unberechtigt ist.
Heute hören wir vor allem viele Anfragen an die Kirche in einer unruhigen und kalten Zeit. Das sind im Grunde die Anfragen, mit denen wir uns beschäftigen müssen. Eine Kirche als Institution, mit nur politischen oder sozialen Konzepten gesehen, ist ja, wie Ihr alle wisst, nur ein sehr einseitiger Aspekt der ganzen Kirche. Dieser Aspekt steht heute leider fast ausschließlich im Vordergrund. Aber es geht vor allem um den Menschen mit seinem Leib und seiner unsterblichen Seele.
In diesem Sinne haben in unserer Erzdiözese vor einigen Wochen zwei bedeutsame Ereignisse stattgefunden: die von Kardinal Schönborn initiierte Stadtmission und die Auftaktveranstaltung des Mitteleuropäischen Katholikentages. Die Stadtmission möchte die Kirche und ihre Botschaft mitten unter die Menschen bringen und sie versucht dies auf ganz neuen Wegen. Mit dem Mitteleuropäischen Katholikentag hat sich die Katholische Kirche in Österreich und in den beteiligten Nachbarländern bewusst dafür entschieden, gemeinsam einen aktiven Beitrag für die notwendige Integration und Wiedervereinigung Europas zu leisten. Hier wird auf neue Weise deutlich, dass das Christentum und seine Botschaft Grenzen aller Art überschreiten kann. In diesem Sinn überwindet der Mitteleuropäischen Katholikentag nationale und kulturelle Grenzen. In einer Zeit und Welt, in der so viele von Globalisierung, das heißt, der einswerdenden Welt, mit allen Vor- und Nachteilen, gesprochen wird, ist dieses Vorhaben unserer Kirche ein starkes Zeichen der Hoffnung für Europa.
Liebe Freunde und Mitbrüder im priesterlichen Dienst - und damit schließe ich alle ein, die vor 35 Jahren am Altare in St. Stephan ihre erste Messe konzelebrierten: in dieser Stunde der Danksagung steht zugleich das Wissen vor unseren Augen, dass wir nicht aus alleiniger Entscheidung diesen Weg gegangen sind, unseren Beruf gewählt haben. Wir wollen uns heute wieder an den Satz bei Johannes, in der Abschiedsrede, erinnern: "Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht und Frucht bringt". - Denn "ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich - nicht irgendjemand - euch auftrage". So lasst uns miteinander, um den Altar von St. Gertrud in Währing versammelt, beten: für unsere Gemeinden, für die Gesunden und Kranken, für unsere Familien, lasst uns beten für alle Priester unserer Diözese, für die jungen und alten, für alle, die uns vorangegangen sind im Zeichen des Glaubens, die wir gekannt haben und mit denen wir verbunden waren.
Wir empfehlen uns heute in dieser gemeinsamen Stunde der Mutter unseres Herrn. Sie war Christus die Nächste von Anfang an; sie war vom Herzen demütig und ließ sich als erste durch Gottes Auftrag in seinen Dienst nehmen. Maria, du Mutter der Priester, du Mutter aller, die Christus nachfolgen, wir bitten dich: lass uns in der Treue ausharren, bis ans Ende!