Predigt zum 70. Priesterjubiläum von Kanonikus Kloiber
Verehrter, lieber Herr Rektor und Kanonikus Kloiber! Verehrte Gäste aus dem Pensionistenheim, aus der Stadt Scheibbs, aus nah und fern!
Der heutige Festtag wird nicht nur von der Stadtpfarre, sondern von der ganzen Diözese St. Pölten als ein seltenes und großes Fest mitgefeiert. Zu Pfingsten war Bischof Zak, damals noch Diözesanbischof, nach Scheibbs ins Pensionistenheim gekommen, um unserem Jubilar persönlich, sowie im Namen der ganzen Diözese, die herzlichsten Segenswünsche zu seinem 95. Geburtstag zu überbringen.
In Fortsetzung jenes festlichen Ereignisses darf heute ich herzliche Glück- und Segenswünsche überbringen, zur 70. Wiederkehr des Tages der Priesterweihe. Ich tue dies mit großer Freude und innerer Bewegung, nicht nur als Mitglied des Kardinalskollegiums unserer Kirche und ehemaliger Erzbischof von Wien, sondern auch als ehemaliger Bischof-Koadiutor von St. Pölten und vor allem als seinerzeitiger Kaplan in Scheibbs in den Jahren 1937, 38. Mein damaliger Pfarrer, der mich in die Seelsorge einführte, war unser Jubilar, Kanonikus Kloiber. Für mich ist es daher eine ganz besondere Freude und Genugtuung, bei diesem seltenen Jubiläum hier anwesend sein zu können.
"Das Alter ist ein Ehrenkranz und gefunden wird es auf den Wegen der Gerechtigkeit", so heißt es im Gebetsschatz der Kirche. Vor 70 Jahren, am 15. Juli 1923, wenige Jahre nach dem Ersten Weltkrieg, stand der junge Weihekandidat Johann Kloiber aus Gföhl im schönen Waldviertel vor dem damaligen Diözesanbischof Rössler in der Domkirche zu St. Pölten. Auf die auch an ihn gerichtete Frage des Bischofs erklärte er seine Bereitschaft, gab er sein "Ja" zum priesterlichen Dienst und Auftrag. Damals sprach der Bischof am Schluss der Weihe auch zu ihm: "Denke was du tust, ahme nach, was du vollziehst"; das heißt, denke, was du als Priester tun sollst oder tust; und ahme nach, was du am Altar, in der Eucharistiefeier vollziehst, in Verbindung und Gemeinschaft mit Jesus Christus. Die 70. Wiederkehr des Tages der Priesterweihe erleben zu können, ist eine besondere Gnade und große Freude für uns alle.
Ich selbst denke heute zurück, denke dankbar zurück, was ich als Kaplan von Scheibbs für meinen eigenen priesterlichen Weg gelernt und erkannt habe. Es war vor allem das Beispiel meines damaligen geistlichen Chefs, des Pfarrers Kloiber. Was ich damals hier gelernt und erfahren habe, war von nicht geringer Bedeutung für meinen späteren Lebensweg. Bei meinem damaligen Pfarrer habe ich gelernt die Selbstlosigkeit im geistlichen Dienst als Priester und Pfarrer, - nicht die Gemeinde war für ihn da, sondern er selbst war immer seiner Gemeinde zur Verfügung mit einem Einsatz bis zum Letzten. Die Pünktlichkeit beim Gottesdienst, die gewissenhafte Vorbereitung auf alle seelsorglichen Verpflichtungen, hat sich mir besonders eingeprägt. Eine besondere Stärke unseres Herrn Kanonikus war damals wie heute seine lebensnahe Predigt. Dasselbe galt für seine Jahre als Religionslehrer. Anhand des damaligen Katechismus hat er in einfachen, aber überzeugenden Worten die großen Zusammenhänge des christlichen Glaubens erklärt und der Fassungskraft der Jugend und der Gemeinde angepasst. Hinter allem, - das spürte jeder von uns, - stand der Auftrag seiner Priesterweihe: "Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch!" - Alle Sorgen und Nöte, alle Anliegen seiner Gemeinde, machte er zu seinen eigenen Anliegen.
Im Frühjahr 1945 ging er, wie Sie sich noch erinnern werden, im vollen Ornat den anrückenden russischen Soldaten entgegen, um ihnen den Friedensgruß seiner ganzen Pfarre zu entbieten. Das hat, - so wurde mir berichtet, - den Eindruck auf die fremden Besatzungssoldaten nicht verfehlt. Pfarrer Kloiber, der in den Jahren 1938-45 manche Bedrängnis zu erdulden hatte, er war es, der 1945 als guter Hirte denen half und sie versteckte, die ihn in den früheren Jahren wenig geschont hatten. Im Geiste der Gottes- und Nächstenliebe zu handeln, im Dienste seiner Kirche, vor dem Konzil, während des Konzils und nach dem Konzil, das war immer in sein Leben hineingeschrieben, bis zum heutigen Tag.
Von ihm, das heißt, vom Herrn, gerufen und gesandt zu sein, ermächtigte ihn und verpflichtete ihn zugleich, diesen Auftrag für unsere Zeit zu verteidigen. Nicht einmal hat er darauf hingewiesen, dass wir unseren priesterlichen Auftrag nicht einer wechselnden Laune und Lust unserer Tage anpassen können. Solche Worte fand auch Paulus für seinen Schüler Timotheus: "Ich beschwöre dich bei Gott und Jesus Christus ... verkünde das Wort, tritt dafür ein, ob man es hören will oder nicht; weise zurecht, tadle, ermahne, in unermüdlicher Geduld. Denn es wird eine Zeit kommen," - und das gilt auch für unsere Zeit, - "in der man die gesunde Lehre nicht mehr erträgt, sondern sich nach eigenen Wünschen immer neue Lehrer sucht" (2Tim 4,1). - Und ich wiederhole mit unserem Jubilar: Unseren Auftrag und priesterlichen Dienst können wir nicht der Gunst der Menschen anpassen, noch uns nur auf das verlassen, was man als zeitgemäße Anpassung preisen will.
Das Tagesgebet am heutigen Sonntag - es ist der 16. Sonntag im Jahreskreis - begann mit den Worten: "Höre, unser Gott, sieh gnädig auf uns, die du in deinen Dienst gerufen hast". In seinen Dienst sind wir alle gerufen; durch Glaube und Taufe gehören wir unserer weltumspannenden katholischen Kirche an. Zu einem besonderen Dienst in dieser Gemeinschaft aber ist der Priester, ist der Bischof gerufen. An der Spitze aller aber, die zu diesem Dienst gerufen wurden, steht seit eh und je unsere liebe Frau. Nach dem Evangelisten Lukas beantwortete ihre Zweifel der Bote Gottes mit folgenden Worten: "Für Gott ist nichts unmöglich!" Die Antwort Mariens darauf lautete: "Ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe, wie du es gesagt hast", das heißt, mir geschehe nach deinem Wort.
Das "Ja-Wort" des Priesters am Beginn der Priesterweihe ist dem ähnlich. Sein: "Ja, ich bin bereit" ist auch eine Bereitschaftserklärung "mir geschehe nach deinem Wort", so, wie es unsere liebe Frau getan hat. Der priesterliche Dienst am Altar rückt den Priester so in die Nähe der Gottesmutter, das heißt: Christus, den Herrn, das Gotteswort in Menschengestalt, zu den Menschen zu bringen. - Maria hat diesen Dienst und Auftrag als erste begonnen. Der Priester steht in ihrer zeitlichen und glaubensmäßigen Gefolgschaft.
Marias Resümee im Magnificat ist uns allen bekannt: "Siehe, von nun an werden mich selig preisen alle Geschlechter, denn der Herr hat Großes an mir getan!"
Und wir, die wir heute hier voll Dankbarkeit festlich versammelt sind, dürfen ebenfalls das Wort aus dem Magnificat wiederholen und die Verbindung zu Deinem großen Jubiläum, lieber Herr Kanonikus, herstellen, wenn wir zurückblicken auf die an Segensfrüchten reichen vergangenen 70 Jahre: "Großes hat der Herr an mir getan", - ja wahrhaftig, Großes hat der Herr aber auch an dir getan!