Eucharistie als Zeichen der Einheit
Papst Paul VI., der im Jahr 1964 am Eucharistischen Kongress in Bombay teilnahm, wurde damals von einer unübersehbaren Menschenmenge auf dem Flughafen begrüßt. In seiner Ansprache drückte er seine Sympathie aus für das indische Volk, bezeugte er seinen Respekt angesichts der altehrwürdigen Kulturen und religiösen Traditionen des indischen Kontinents. Es war dies ein kostbarer Rahmen für einen Eucharistischen Weltkongress, dessen Mittelpunkt die Feier und Verehrung der Eucharistie im Sinne der katholischen christlichen Einheit war.
Jesus selbst hat, wie die heiligen Texte und eine 2000-jährige Tradition und christliche Geschichte bezeugen, beim Abschiedsmahl vor seinem Tode, seine Freunde, die Apostel, in Verbindung mit dem jüdischen Passover, als Erinnerung an den Auszug der Hebräer aus der Sklaverei in Ägypten, dem alten Ritus entsprechend, zum Abschiedsmahl geladen.
Er brach das Brot und reichte es ihnen; er reichte ihnen den Becher mit Wein, mit Worten, die sagten, dass das Brot nicht nur als Zeichen, sondern in Wahrheit seinen Leib bedeute; dass der Wein nicht nur Zeichen für, sondern in Wahrheit sein Blut sei. Dann gab er den Auftrag: "Tut dies zu meinem Gedächtnis!" Damit wollte er eine neue Gemeinschaft, einen neuen Bund erstehen lassen, in Verbindung mit seinem Tod und mit seiner Auferstehung.
Dieser Auftrag Jesu, an den kleinen Kreis seiner Apostel gegeben, wurde zum Mittelpunkt des christlichen Glaubens, der christlichen Gemeinschaft, des Lebens in Gemeinschaft mit Jesus Christus, Gottes Sohn. Sogar die Spaltung der Christen in so viele getrennte Kirchen hat diesen zentralen Auftrag im Wesentlichen - oder wenigstens als Erinnerung und Zeichen an Jesu Abschiedsmahl und Auftrag - mitgenommen. Dies ist der Eckstein, das Geheimnis des Glaubens, wie es eine 2000-jährige, zuerst morgenländische, dann auch abendländische Geschichte des Glaubens und schließlich die Weltgemeinschaft des Glaubens als Zeugnis der Einheit und Zusammengehörigkeit der Menschen bezeugt und verkündet.
Ich bin in Bombay damals durch die Straßen der Stadt gewandert und dabei vielen Menschen verschiedener Sprachen und Rassen begegnet, eine Vielfalt und Buntheit, wie sie größer kaum anzutreffen gewesen wäre. Und als zum gemeinsamen Gottesdienst hunderttausende von Menschen zusammenströmten, da brodelte die große Masse in ihrer Gegensätzlichkeit und Verschiedenheit; ich hatte Sorge, wie das nun alles vor sich gehen werde. Als aber dann, nach dem Credo, der Kern der Eucharistiefeier begann, trat, - ohne Kommandorufe, - eine große Stille ein. Es überkam mich ein Gefühl der Verbundenheit und Zusammengehörigkeit. Ich bildete mir ein, dass dies alle spürten. Als über die große und bunte Menge die Worte erklangen: "Das ist mein Leib - das ist mein Blut, zur Vergebung der Sünden" und schließlich die Aufforderung: "Tut dies zu meinem Gedächtnis!", da wurde mir wieder bewusst, dass sich hier dasselbe ereignete, was damals in Jerusalem zum ersten Mal beim Abschied geschah. Die Zeichenhaftigkeit dieser Stunde wurde mir eine Mahnung, den Hinweis auf die Einheit des Menschengeschlechtes in der Eucharistie nicht zu übersehen.
Vortrag von Kardinal König, gehalten am 2. Februar 1993 im Afro-Asiatischen Institut in Wien.
aus: Franz Kardinal König, Haus auf festem Grund / hrsg. von Annemarie Fenzl und Reginald Földy. - Wien, München, Berlin : Amalthea-Verl., 1994, S. 36f.