Predigt zur Bischofsweihe von Helmut Krätzl und Florian Kuntner
"Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage". Dieses Wort des heutigen Evangeliums ist an uns alle gerichtet, in besonderer Weise auch an die beiden bischöflichen Weihekandidaten. Ich freue mich - lassen Sie mich das eingangs feststellen -, dass die Wahl auf diese beiden Männer gefallen ist, die das Vertrauen ihrer priesterlichen Mitbrüder und ihrer großen Gemeinde in so reichem Maße erfahren.
Der Bischof ist Rufer Gottes, der den Menschen zum Heil und Segen ruft. Im Bischof, der umgeben ist von seinen Presbytern - bedenkt das wohl -, ist in unserer Mitte unser Herr Jesus Christus gegenwärtig, der Hohe Priester in Ewigkeit. Jesus Christus selber verkündet durch den Dienst des Bischofs das Evangelium und spendet den Glaubenden die Sakramente. Er selber fügt durch den Bischof dem Leib seiner Kirche neue Glieder ein. Er selber führt euch durch den Bischof in Weisheit auf dem Wege dieser Zeit zur ewigen Freude.
Nehmt darum frohen und dankbaren Herzens unsere Brüder auf, die wir Bischöfe durch Handauflegung unserem Kollegium eingliedern. Ehrt sie als die Diener Christi und Ausspender der Geheimnisse Gottes. Ihnen ist das Zeugnis für das wahre Evangelium anvertraut, der Dienst im Geist und in Gerechtigkeit zum ewigen Leben. Beherzigt, was Christus zu den Aposteln gesagt hat: "Wer euch hört, der hört mich, und wer euch verachtet, der verachtet mich. Wer aber mich verachtet, der verachtet den, der mich gesandt hat." - In dieser festlichen Stunde aber ruft er ihnen zu: "Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage."
In unserer Zeit enthüllt sich noch eine besondere Bedeutung des Bischofs, die uns bisher in diesem Ausmaß verborgen war. Heute steht der Bischof vor einer großen Aufgabe, er steht im Brennpunkt eines Geisteskampfes, der in der Welt einem Höhepunkt zuzustreben scheint. Wir alle spüren heute die Ausstrahlungen dieses geistigen Ringens. Wir spüren die geistige Unruhe, die Unrast des Menschen, die Erschütterung einer Gesellschaft, in der alle sittlichen Normen ins Wanken geraten. Wir erleben heute das Sterben der verseuchten Natur, der Tiere und Pflanzen, der Luft und Gewässer. Vor unseren Augen bricht die Gewalt auf, der Hass, der Wille zur Zerstörung und Vernichtung. Das Gesetzlose bricht hervor, das Süchtige und Begierige lässt sich nicht mehr bändigen. Die geistige Entwurzelung macht den Menschen seelisch krank. Mächte und Gewalten zwingen heute viele Menschen zu einer Lebensart, die sie nicht wollen und deren Tödlichkeit sie ahnen.
Es ist die tiefste Versuchung des Menschen, der nach dem Bilde Gottes geschaffen ist: dass er sich Gott gleichsetzt und sein eigener Gott sein will. Auch der westliche Mensch hat dieser Versuchung zur Selbstherrlichkeit nicht widerstanden. - Sie halten sich für Übermenschen und bauen babylonische Türme. Sie meinen von nun an sei ihnen nichts mehr unmöglich.
Der Bischof hat in unserer Zeit die große Aufgabe zu unterscheiden zwischen dem echten Geist Christi und dem Ungeist, der sich nur in das Gewand des Christentums zu hüllen trachtet. Heute gilt für den Bischof mehr denn je das Wort der Schrift: "Ich beschwöre dich bei Gott und bei Christus Jesus ... verkünde das Wort, tritt dafür ein zu gelegener und zu ungelegener Zeit. Tadle, ermahne in unermüdlicher, geduldiger Belehrung. Denn es wird die Zeit kommen, in der man die gesunde Lehre nicht erträgt, sondern sich nach eigenen Wünschen zahlreiche Lehrer sucht, die den Ohren schmeicheln. Und man wird der Wahrheit nicht mehr Gehör schenken, sondern sich Fabeleien zuwenden. Du aber sei in allem nüchtern, ertrage das Leiden, verkünde das Evangelium, erfülle deine Aufgabe" (2Tim 4,1ff).
Der Bischof hat heute auch eine weltgeschichtliche Aufgabe, ein Prophetenschicksal. Er muss heute den Mut haben, so wie Christus der Welt ins Gewissen zu reden, ihr die Wege des Heils zu zeigen und vor den Wegen des Unheils zu warnen. Er ist der Hirte, der sich auch in Not und Gefahr bewähren muss.
Weil in unserer Zeit die zerstörerische Macht des Bösen so offenkundig wird, wächst auch unser Verständnis und unsere Dankbarkeit für die heilende Gegenwart Christi in dieser Welt. Es ist die tiefste Berufung des Bischofs, in dieser Zeit voll Not und Unheil die Gegenwart Christi spürbar werden zu lassen. Er heilt die verwundeten Herzen, er beruhigt die Verängstigten, sein Geist stärkt die Erlahmenden und flößt den Verzagten neuen Mut ein. Wo Christus ist, dort hat das Ewige und Bleibende begonnen, das Reich Gottes. Christus ist der tiefste Grund unseres Vertrauens und unsere Hoffnung. Diese Hoffnung strahlt vom Bischof aus, weil Christus in ihm gegenwärtig ist. Daher gilt in besonderer Weise das Wort des Evangeliums: "Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage."
Meine lieben bischöflichen Weihekandidaten: Vergesst nie, dass ihr in der Liebesgemeinschaft der katholischen Kirche mit dem ganzen Bischofskollegium verbunden seid. Daher unterlasst es nicht, die Sorge für alle Kirchen mitzutragen und den notleidenden Kirchen bereitwillig beizustehen. Achtet also auf die ganze Herde, in welche euch der Heilige Geist bestellt, die Kirche Gottes zu leiten: Im Namen des Vaters, den ihr in der Kirche darstellt, im Namen Jesu Christi seines Sohnes, dessen Amt als Lehrer, Priester und Hirte ihr ausüben werdet, im Namen des Heiligen Geistes, welcher der Kirche Christi Leben verleiht und uns in der Schwachheit stärkt.