Johannes XXIII. - Überwinder der Angst und Wegweiser aus der Enge
Am Tag seiner Wahl - es war dies der 28. Oktober 1958 - wurde er aufgrund seines Alters und seines geringen Bekanntheitsgrades von den Kommentatoren als "Übergangspapst" apostrophiert. Als er nach nur vier Jahren und einigen Monaten, am 3. Juni 1963, mit knapp 81 Jahren starb, hieß es: er hätte in dieser kurzen Zeit in der Tat einen Übergang hergestellt, vom 20. ins 21. Jahrhundert, indem er die Grenzpfähle für ein neues Zeitalter der Kirche absteckte. Fernsehen, Rundfunk und Presse hatten in jenen Junitagen des Jahres 1963 - die Erinnerung daran ist in meinem Herzen noch ganz lebendig - für die große Menschenmenge auf dem Petersplatz, für die ganze Welt die schmerzlichen Phasen seines Todeskampfes so miterleben lassen, als handelte es sich um ein Mitglied der eigenen Familie. Noch nie, so hörte man überall, gab es eine solche Einmütigkeit der Teilnahme. Der Tod dieses Mannes war offensichtlich für die ganze Welt kostbar.
Ich selber bin ihm wiederholt begegnet. Seine Schlichtheit, die Heiterkeit seines Geistes, mit der er sich den großen Aufgaben täglich stellte, die auf ihn zukamen, der Humor, den er in verschiedensten Situationen zur Hand hatte, dies alles wird mir unvergesslich bleiben. Wenige Tage nach der Papstwahl, am Tag seiner Krönungsmesse, wurde eine große Schar von Besuchern aus den nördlichen Diözesen Italiens, vor allem auch aus seiner Heimatdiözese Bergamo, vom neuen Papst in Audienz empfangen. Einige Stunden später, am gleichen Nachmittag, traf ich Beamte des Vatikans, die mir von dieser ersten Audienz berichteten. Sie waren noch ein wenig fassungslos und meinten: In dieser Audienz löste bei der päpstlichen Ansprache eine Lachsalve geradezu die andere ab; so etwas hätten sie früher nicht erlebt - als ob Frömmigkeit und Humor nicht gut zusammenpassten ...
Die Einberufung des II. Vatikanischen Konzils wird mit der Person dieses Papstes für immer verbunden bleiben. In jenen Tagen, in denen er sich zu einem so wagemutigen Entschluss durchrang - es war im Jänner 1959 -, schien er zeitweise über seine eigene Kühnheit erschrocken zu sein. In einer Audienz, bald nach der Ankündigung der Einberufung eines weltweiten Konzils, meinte er im Gespräch mir gegenüber: "Wissen Sie, in der Weltgebets-Oktave im Jänner damals kam mir plötzlich der Gedanke, man müsse wieder ein Konzil einberufen." Und, so erzählte er mir: "Ich habe das damals für eine Eingebung des bösen Geistes angesehen, denn mir schien ein Weltkonzil in der heutigen Zeit etwas ganz Schwieriges und Großes zu sein. Ich habe gebetet, die ganze Woche hindurch. Der Gedanke kam dann immer intensiver und klarer auf mich zu, so dass ich mir zum Schluss gesagt habe: das kann doch nicht der böse Feind sein, es muss der Geist von oben sein, der mir diesen Gedanken eingegeben hat." Und so kam es dann kurz darauf, am 25. Jänner 1959, zur Ankündigung des Konzils.
Hört nicht auf die Unglückspropheten!
In seiner Eröffnungsansprache meinte Papst Johannes XXIII., angesichts der großen Zahl der in St. Peter versammelten Bischöfe aus der ganzen Welt, mit innerer Gelassenheit, man dürfe sich nicht nur für das interessieren, was alt und vergangen ist, sondern - ich zitiere wörtlich - die Bischöfe sollten "freudig und furchtlos das verwirklichen, was die Gegenwart erfordert". Man dürfe sich nicht so verhalten, als ob sich in der Welt alles immer nur zum Schlechteren wende; er wies darauf hin, dass man nicht immer nur auf jene "Unglückspropheten" hören solle, die - ich zitiere wörtlich - "in den modernen Zeiten nichts zu sehen vermögen, als Unrecht und Untergang, als ob zur Zeit der früheren Konzilien alles in vollem Triumph der christlichen Lehre und der rechten Freiheit des Glaubens vor sich gegangen wäre". Es sei daher "wahrhaft nötig", sagte der Papst, "dass die gesamte christliche Lehre vor allem durch ein neues Bemühen angenommen wird; dabei muss die Substanz der alten, im Glauben enthaltenen Lehre von der Formulierung ihrer sprachlichen Einkleidung wohl unterschieden werden". In diesem Bemühen müsse vor allem der pastorale Gesichtspunkt im Vordergrund stehen.
Die von überall, aus der ganzen Welt in Rom zusammengeströmten neugierigen Journalisten haben die Zuversicht und den Mut aus diesen Worten herausgehört und darüber einer interessierten Welt auch so berichtet.