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Inhalt:

Ein Konzil für Kirche und Welt

Vortrag von Kardinal König vor dem "Wirtschaftsring" am 23. Mai 1964 in Konstanz

Einleitung

 

Auf dem Gebiete der Wissenschaft wie der Praxis werden Fortschritte und neue Entwicklungen nur durch immer größere Rationalisierung und Spezialisierung erreicht. Darauf vor Ihnen, meine Herren, hinzuweisen, hieße eigentlich Eulen nach Athen tragen. Andererseits hat die Beschäftigung mit dem Detail, mit immer kleineren Teilen des Ganzen, die Sehnsucht nach einer überschaubaren Einheit, nach größeren Zusammenhängen immer stärker werden lassen. Wir sind heute auch gezwungen, Dinge und Ereignisse in zunehmender Weise in großen Zusammenhängen zu sehen und zu beurteilen. Die Entfaltung der Großräume ist sowohl in wirtschaftlicher und politischer wie auch in geistiger und kultureller Hinsicht eine Tatsache. Wir können deshalb auch im weltlichen Raume von einer säkularen Ökumene sprechen.

 

Diese Feststellung soll bewusst den folgenden Überlegungen über das II. Vatikanische Konzil vorangestellt werden. Denn auch dieses Ereignis steht nicht isoliert für sich allein, sondern entspringt einer globalen Situation und wirkt selbst wieder strahlenförmig in eine Vielfalt von Richtungen.

 

In den vergangenen 150 Jahren wurde von verschiedenen Seiten versucht, aufs neue jene geistige Einheit zu erstellen, die das Abendland durch Jahrhunderte zusammengehalten hat. Diese Versuche bestanden im aufgeklärten Humanismus, der mit den Prinzipien der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit eine universelle Grundlage des Abendlandes erstellen wollte. Ihm folgte der Marxismus, der über die Weltrevolution zur klassenlosen Gesellschaft und zur Solidarität aller Werktätigen kommen wollte. Als eine Art Pervertierung dieses Einheitsstrebens könnte man auch den Nationalsozialismus bezeichnen, der eine auf Rasse und Blut beschränkte Ökumene erzwingen wollte. Wir wissen, wie gefährlich alle diese Versuche waren, wie sie statt Einheit zu stiften, die Fronten verschärften: Der Liberalismus durch die Klassengesellschaft, der Marxismus durch die Spaltung der Welt, der Nationalsozialismus durch die Ausrottung ganzer Völker. Aber das Anliegen selbst, die Sehnsucht nach der Einheit ist dem abendländischen Denken eingeboren. Daran ändert auch nichts der heutige Skeptizismus und Nihilismus. Das II. Vatikanische Konzil bedeutet einen neuen Schritt in diesem europäischen Ringen.

 

Wer sich heute auf irgend einem Sektor der Gesellschaft verantwortlich weiß, muss erleben, dass die zentrifugalen, also die Ordnung negierenden und Ordnung zerstörenden Kräfte stark am Werke sind, die zentripedalen, also Ordnung stiftenden Kräfte aber relativ gering sind. Es gibt nicht vieles in der Welt, das einen glaubwürdigen Anspruch auf die Ordnungsbereitschaft ergehen lassen könnte. Die Kirche ist eine solche Macht und eine solche Kraft. Darum blicken viele nicht nur christliche und nicht nur gläubige Menschen auf das Konzil, von dem sie eine solche einigende Macht, eine solche Ordnungsmacht erhoffen.

 

1. Konzil für die Welt

 

Wir müssen uns aber dabei vor Illusionen hüten. Und es wäre eine Illusion, annehmen zu wollen, dass die heutige Menschheit in ihrer Gesamtheit, ja, dass die Menschen des Raumes, den wir der Gewohnheit entsprechend als Abendland bezeichnen, in ihrer Gesamtheit gläubig wartend und hoffend das Konzil verfolgen. Gewiss wird heute der Kirche ein freundliches Wohlwollen entgegengebracht. Religionsfeindlichkeit und Kirchenkampf gelten - wenigstens in unseren Breiten - als nicht schicklich. Auch diese Tabustellung, diese Außer-Streit-Stellung von Religion und Kirche, so erfreulich dies auch ist, sollte uns nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie nicht allein oder nicht vorwiegend einem neuen Bewusstwerden religiöser Werte entspringt. Sie ist vielmehr auch die Folge einer sehr leidvollen und tragischen Vergangenheit wie Gegenwart. Die Unterdrückung von Religion und Kirche im Nationalsozialismus und Kommunismus lässt in der freien Welt alle religionsfeindlichen und kirchenfeindlichen Bestrebungen suspekt erscheinen. Dass sie aber nicht tot sind, das wissen wir, das können gerade Sie hier in Deutschland feststellen.

 

Dieses freundliche Wohlwollen bezieht sich gewiss auch auf das Konzil. Aber für nicht wenige Menschen ist das Konzil eine innerkirchliche Angelegenheit und für innerkirchliche Angelegenheiten hat die Welt - oder sagen wir besser - haben viele Menschen in dieser Welt nur ein beschränktes Interesse.

 

Dieses beschränkte Interesse dem Konzil als innerkirchliches Ereignis gegenüber, so wie es von vielen Menschen verstanden wird, ist selbst ja nur ein Teil jenes geringen Interesses, das gerade hier im Westen - vor allem in Westeuropa - geistigen Problemen im allgemeinen entgegengebracht wird. Die Faszination eines innerlich noch nicht bewältigten materiellen Wohlstandes ist so groß, dass sie in vielen Menschen das Interesse, ja selbst die Sehnsucht nach geistigen Dingen erstickt. In den Vereinigten Staaten, wo weite Kreise der Bevölkerung die Fülle materieller Güter seit längerer Zeit als selbstverständlich empfindet, scheint sich in manchem wieder eine positivere Entwicklung abzuzeichnen. Vor kurzem hatte ich während einer Reise durch die Vereinigten Staaten feststellen können, dass sich in der studierenden Jugend Amerikas ein erfreuliches Interesse an geistigen und religiösen Fragen zu regen scheint.

 

Auch die ökumenischen Impulse, die von diesem Konzil ausgehen, auf die wir so große Hoffnungen setzen und die von so vielen Menschen in der Welt mit Erwartung begleitet werden, die aber der rein menschlich möglichen Entwicklung weit voraus eilen, werden von der großen Masse der Menschen, auch der Getauften, wohl mit Interesse und Sympathie aber nicht mit viel mehr aufgenommen.

 

Auch eine jahrhundertelange Entwicklung, die zu einem Auseinanderleben von Kirche und Welt geführt hat, ließ eine zu große Diskrepanz zwischen der Bewusstseinslage des modernen Menschen, auch des Getauften, und der christlichen Lehre sowie kirchlichen Vorschriften entstehen. Unter und neben den christlichen Konfessionen haben die Menschen weitgehend ihre eigene private Religion und ihre eigene private Moral entwickelt. Sie sind keine Kirchenstürmer, sie sind keine Häretiker im formalen Sinn, sie polemisieren kaum gegen die Kirche, sie lehnen sich nicht auf gegen Lehre und Anspruch der Kirche, sie wollen keine neue Religion und keine neue Morallehre aufstellen, sie bejahen im allgemeinen die Gültigkeit dieser Lehre und Vorschriften, aber für sich selbst und für ihr eigenes Leben finden sie diese Lehre als weitgehend undurchführbar. So sehen wir, dass in einem mehr als ein Jahrhundert andauernden Prozess die Menschen dieses christlichen Abendlandes in zwei Bewusstseinslagen leben. Die kirchliche Lehre wird zwar nicht bekämpft, aber für den Hausgebrauch baut man sich eine eigene Geschäftsmoral, eine eigene Arbeitsmoral, eine eigene Sexual- und Ehemoral sowie eine eigene politische Moral auf. Der Mensch der Gegenwart, auch der Christ der Gegenwart, lebt auf weiten Gebieten in einer gespaltenen Bewusstseinslage. Der gespaltene Mensch ist das Symbol unserer Gegenwart. Jede Spaltung aber wirkt zerstörend. Sie ist ein tödliches Gift für den Menschen wie für die Religion.

 

Es gibt zwei Möglichkeiten, um einer solchen gefährlichen Entwicklung zu begegnen, um sie aufzufangen und zum Stillstand zu bringen. Es gäbe erstens den Weg, einer solchen Aufweichung durch eine Verhärtung zu begegnen, durch ein scharfes und hartes Kirchenregiment; das heißt, eine Verschärfung der kirchlichen Disziplin und ein äußerer Nachdruck, um die peinlich genaue Einhaltung derselben zu erreichen. Das heißt, wer nicht als Christ lebt, der soll auch kein Christ sein. Zur Vergebung der Sünden gehört die Reue. Wer seine Reue nicht durch eine Umkehr unter Beweis stellt, schließt sich selbst aus der Gemeinschaft aus.

 

Was hätte das aber zur Folge? Würde das nicht zu einem Abschluss von der Welt führen und die katholische Kirche zu einer Art Sekte, zu einer vorbildlichen aber vielleicht fanatischen Minderheit werden lassen, die sich selbst abkapselt und einkapselt. Vielleicht würde sie dann - immer nach menschlichen Voraussetzungen und menschlichen Möglichkeiten gesprochen - ihren Anspruch aufgeben müssen, den sie als göttlichen Auftrag empfangen hat: die Welt zu durchsäuern oder Sauerteig dieser Welt zu sein.

 

Es gibt aber auch einen zweiten Weg, den man als den ignatianischen Weg bezeichnen könnte. Im Sinne des heiligen Ignatius von Loyola ist folgende pastorale Methode angezeigt: Ich gehe mit jedem Menschen durch seine Tür hinein, um ihn durch meine Tür wieder herauszuführen. Das heißt: mitgehen mit der Welt auch auf den Wegen der Welt; mitgehen mit den Menschen, auch auf den Wegen der Menschen; das heißt, einholen der Welt, aber nicht sich der Welt anzugleichen, nicht um selber Welt zu werden, sondern um präsent zu sein, um die Anwesenheit der Kirche evident zu machen.

 

Vielleicht darf ich folgendes Bild gebrauchen: Im Bewusstsein nicht weniger Menschen ist die Kirche heute etwas weit zurückliegendes, eine historisch ehrwürdige Erscheinung in der Geschichte der Welt, oder vielleicht eine sentimentale Erinnerung an ihre Kinderzeit. Aber in ihrem heutigen, in ihrem täglichen Leben erscheint Religion und Kirche nicht mehr in ihrem Blickfeld. Darüber sollen uns freundliche Gesten, schöne Reden und gefühlvolles Empfinden nicht hinwegtäuschen. Auch nicht verschiedene neue Formen der Publicity, die die Kirche heute erfährt. Kirchliche Zeremonien, kirchliche Liturgie machen sich gut im Fernsehen, die Farbenpracht kirchlicher Roben nimmt sich prächtig aus auf Titelblättern der Illustrierten. Aber mit diesem "Interesse", das die Kirche mit der Publizität von Filmgrößen und mit der Aktualität von Fürstenhochzeiten teilt, wird nur unterstrichen wie fremd, wie "exotisch" die Kirche für nicht wenige unserer Zeitgenossen geworden ist.

 

Wie soll nun die Kirche in dieser Welt wieder präsent werden, nicht äußerlich, sondern innerlich? Was soll sie aufnehmen, was soll sie ablegen, welchen modischen Anstrich soll sie sich geben? - Nein, darum kann es gar nicht gehen, wenngleich es auch viele Menschen gibt, die meinen, dass es der Kirche nicht erspart bleiben werde, manches von ihren, wie sie sagen, unsinnigen und unzeitgemäßen Lehren aufzugeben. Mit einer augenzwinkernden Toleranz verlangen sie von der Kirche Aufgabe des Glaubens, weil sie selbst an nichts mehr glauben; Aufgabe der Gebote, weil sie selber keines mehr halten. - Nein, darum kann es keinesfalls gehen! Der Glaube und die Gebote der Kirche sind gewiss von gestern und vorgestern; aber nur in dem Sinne, dass sie auch von heute und morgen sein werden. Nicht in ihrem Gehalt, nicht in ihrem Inhalt, nicht als Hüterin der Offenbarung des Wortes Gottes hat die Kirche der Welt nachzulaufen, sie einzuholen, sich anzugleichen oder zu akkomodieren. Wohl aber gilt das für die Form ihrer Aussage, für die Form der Zeitnähe ihrer Aussage.

 

Das Wunder des ersten Pfingstfestes der Christenheit war ein Sprachwunder. Der Heilige Geist, der die Apostel erfüllte, ließ sie so reden, dass jeder das Bewusstsein hatte, in seiner eigenen Sprache angeredet zu werden. Dieses, in der Sprache des anderen reden können, so reden können, dass der andere ihn versteht, dass der andere sich angesprochen fühlt, nicht nur im Ohr, sondern auch im Herzen, das ist es, was die Kirche vielleicht auf weiten Strecken verlernt hat. In der Sprache der Zeit reden und mit den Menschen dieser Zeit über die Probleme dieser Zeit reden, das ist es, was ich meine, wenn ich in dem Bilde davon sprach, dass die Kirche die Welt wieder einholen muss. Christus hat seinen Aposteln nicht aufgetragen zu warten, bis die Menschen zu ihnen kommen, sondern er hat ihnen gesagt: "Gehet hin und lehret alle Völker!" Dieses Hingehen, wenn Sie wollen, dieses Nachlaufen, das ist es, was wir heute brauchen. Es ist die Gabe, mit den Menschen über ihre Sorgen und ihre Sehnsüchte in ihrer Sprache zu reden.

 

Erst dann, wenn wir dies vermögen, werden wir wieder ins Blickfeld der Menschen unserer Zeit treten. Dann wird man die Kirche wieder zur Kenntnis nehmen, dann wird sie erst wieder richtiger Gesprächspartner werden. Gerade dieses Anliegen war es, dass zur Abfassung des schon öfters genannten Schema XVII geführt hat und das den Titel trägt "Die Gegenwart der Kirche in der heutigen Welt". Vielleicht wird die konziliare Diskussion dieses Schemas schließlich auch dazu führen, dass die gesellschaftliche Funktion der Kirche in dieser Welt sichtbar wird. Die Funktion in einer auseinanderfallenden, von Interessen beherrschten Gesellschaft, könnten die religiösen Kräfte und nicht zuletzt auch die katholische Kirche ein Element der Einheit und ein Faktor der Integration sein. Das müsste dann dazu führen, dass der Anspruch der Kirche, den man theoretisch heute nicht mehr bestreitet, auch in die Praxis umgesetzt wird, nämlich der Anspruch, das moralische Gewissen eines Volkes zu sein.

 

Lassen Sie mich nochmals auf das vorhin gewählte Bild zurückkommen: Wenn ich um jemand Sorge trage, muss ich mit ihm Kontakt halten. Wenn ich jemand auf den rechten Weg wieder zurückbringen will, dann muss ich mit ihm Schritt halten. Wenn ich will, dass er mich hört, dann muss ich seinem Ohr und seinem Herzen nahe sein. Bin ich aber eine lange Strecke Wegs hinter ihm, dann gehöre ich zu den Überwundenen und Zurückgebliebenen. Der andere hört mich nicht mehr, auch wenn ich noch so angstvoll rufe. Für die Kirche geht es heute darum, so scheint mir, gehört zu werden und vor allem in der Nähe gespürt zu werden. Ich hoffe, dass das in Vorbereitung befindliche Schema XVII dies noch besser zum Ausdruck bringen wird. - Es geht um die Sehwürdigkeit und Hörwürdigkeit, um die Gesprächswürdigkeit und damit im letzten um die Glaubwürdigkeit der Kirche im gesellschaftlichen Raum. Das hat Johannes XXIII. gemeint, wenn er von "aggiornamento" sprach.

 

2. Konzil für die Kirche

 

Lassen Sie mich folgende Überlegung voranstellen: Nehmen wir an, dieses Konzil wäre vor 50 oder auch nur vor 10 Jahren einberufen worden. Es ist heute bekannt, dass frühere Päpste schon mehrfach den Gedanken erwogen hatten, das unterbrochene I. Vatikanische Konzil formell zum Abschluss zu bringen. Sie haben es nicht getan, weil die Zeit hiefür nicht reif war, auch nicht in der Kirche. Ein Konzil, das vor 50 Jahren stattgefunden hätte, können wir uns in seinen Themen und in seinen Ergebnissen heute kaum vorstellen. Ein solches Konzil hätte wohl eine ganz andere Richtung genommen als das heutige. Wir wissen aus der Geschichte der großen Konzile des Mittelalters und der beginnenden Neuzeit, dass es deren Aufgabe war, Reformen durchzuführen. Mit dem Begriff Reform, Fortschritt, Entwicklung ist für uns meist die Vorstellung einer Bewegung von unten nach oben verbunden. Auch dieses Konzil wird in der Hauptsache als Reformkonzil in die Geschichte eingehen. Aber gerade dieses Konzil ist ein Beispiel dafür, dass der Fortschritt nicht immer von unten nach oben, sondern ebenso gut von oben nach unten gehen kann.

 

Dieses Konzil entsprang dem Wollen eines Mannes, bei dessen Wahl zum Papst wohl kaum jemand, am wenigsten er selbst, von der schicksalhaften Bedeutung ahnte, die er für die Kirche, aber auch für die ganze Welt haben werde. Wir sind heute noch der Persönlichkeit Johannes XXIII. zu nahe, um seine Wirkung auch nur annähernd abschätzen zu können. Er war - und er hat sich selbst so bezeichnet - ein schlichter, einfacher Mann, ein Bauernsohn, dessen Wunsch es war, Hirte einer kleinen Gemeinde zu sein. Er war vielleicht ein unprogrammatischer Mann und doch stammt von ihm das Programm des Konzils. Vielleicht hat er in manchen Einzelheiten fehl gegriffen. Aber gerade in seiner schlichten, unproblematischen Frömmigkeit, wie wir sie aus den soeben veröffentlichten Tagebuchaufzeichnungen sehen können, war er das Werkzeug jenes Heiligen Geistes, den der Herr seiner Kirche versprochen und gesandt hat. Er hat eine große Wende in der Kirche herbeigeführt. Er hat den Übergang vom Statischen zum Dynamischen, vom rein Institutionellen zur Bewegung, von der Autorität zur Brüderlichkeit, vom Monolog zum Dialog vorbereitet. Er war ein Mann des Gespräches und hat für die Kirche wieder auf die Wichtigkeit des Gespräches hingewiesen, zum Gespräch mit der Welt, aber auch zum Gespräch innerhalb der Kirche. Durch ihn bekam die Kirche wieder Leuchtkraft bis in die fernen Gefilde der Kirchenfremden und der Kirchengegner. Er wollte, dass die Kirche wieder ausstrahle in die Welt und dass gleichzeitig die Welt in die Kirche hereingenommen werde.

 

Zwei große Themen hat Johannes XXIII. dem Konzil gestellt: Das ökumenische Thema, das heißt das Gespräch mit den Christen der anderen Glaubensgemeinschaften, mit dem Ziel, das große Ärgernis der Christenheit, die Spaltung, zu überwinden. Aber auch hier sollte es nicht beim Gespräch allein bleiben. Auch hier gilt es, Barrieren abzubauen und Gräben einzuebnen, die in jahrhundertelangem Kampf in Abwehr und Angriff gebaut wurden.

 

Die zweite große Aufgabe ist die pastorale, die der Papst dem Konzil gestellt hat. Die pastorale Ausrichtung erstreckt sich auf die Behandlung aller Lehrfragen. Damit stellte das Konzil theologische Streitfragen im engeren Sinne zurück und wendete die ganze Sorgfalt dafür auf, dem heutigen Menschen die Heilsoffenbarung in positiver Weise vor Augen zu stellen. Die Hauptfrage lautete: Wie kann man die Lehre Christi den Menschen von heute wirksam verkünden?

 

In diesen beiden großen Themen, in diesen beiden großen Zielrichtungen, dem ökumenischen und dem pastoralen Ziel, sind die wichtigsten Probleme eingeschlossen, mit denen sich das Konzil zu befassen hat: Das Verhältnis von Schrift und Tradition, das Thema über die Kirche und die Reform der Liturgie. In den kommenden Sessionen wird sich das Konzil noch ausführlich mit der ökumenischen Frage, der Priesterbildung, dem Laienapostolat und der Ehegesetzgebung befassen. In Verbindung mit dem Ökumenismus wird die Frage der Toleranz, die Frage der religiösen Freiheit ebenfalls das Konzil beschäftigen. Auch die Lösung dieser Frage scheint Vorbedingung eines Gespräches mit den getrennten Brüdern, aber auch mit der Welt zu sein.

 

Sie wissen, dass man von mancher Seite das Bekenntnis der Kirche zur Toleranz mit Misstrauen betrachtet hat. Viele haben einem solchen Bekenntnis nicht getraut und gemeint, die Kirche wäre nur dort für Toleranz und religiöse Freiheit, wo sie selber sich in der Minderheit befindet. Dort aber, wo sie die Mehrheit und die Macht habe, strebe sie eine absolute Herrschaft über die Geister an. Das ist ein schwerwiegender Vorwurf und er mag gewiss auch den Anschein historischer Tatsachen für sich haben. Es wäre aber verfehlt, wollten die Katholiken einen solchen Vorwurf mit Gegenvorwürfen aus der Geschichte oder aus der Gegenwart beantworten. Das Konzil wird diese Frage ernst nehmen und sie offen diskutieren. Letztlich ist es eine theologische Frage und nicht eine Frage der Opportunität, der Diplomatie oder der Machtverhältnisse. Das Konzil wird glaubhaft feststellen, dass die Kirche unbeschadet ihres Wahrheitsanspruches und ihres Sendungsauftrages die religiöse Freiheit, die sie für sich selbst fordert, auch allen anderen zubilligt. Das heißt, dass sie die religiöse Überzeugung jeder Zeit und an jedem Orte, auch die areligiöse Überzeugung eines jeden Menschen nicht nur toleriert, sondern auch achtet. Das ist kein Wertrelativismus, kein Synkretismus, sondern dahinter steht die Überzeugung, dass die Wahrheit stärker ist als jeder weltliche Arm.

 

Natürlich hat es beim Konzil auch gegensätzliche Meinungen gegeben. Das scheint nur für den überraschend, der sich unter einem Konzil nur eine Versammlung ja-sagender Greise vorstellt. Nur im Widerstreit, nur in der Diskussion gegensätzlicher Meinungen kann die Wahrheit klargestellt und besser erkannt werden. Auch der Widerstand, auch die Reaktion gegen so manches, was an Reformen beim Konzil vorgeschlagen und diskutiert wurde, hat seine heilsgeschichtliche Bedeutung. Es zwingt zur nochmaligen Überprüfung der eigenen Position, zum schärferen Durchdenken der eigenen Vorstellungen, zum Abwägen der Folgen eines jeden neuen Schrittes.

 

Dieses Konzil hat begreiflicherweise neben großen Hoffnungen, neben begeisterter Zustimmung, neben ehrlicher Anerkennung auch manche Unruhe, manche Sorgen und manche Bedenken ausgelöst. Beginnt sich hier nicht - so fragen manche - ein System aufzulösen, das gerade durch seine Festigkeit ein Element der Stabilität und Ruhe war? Wenn man die Formen sprengt, besteht da nicht die Gefahr, dass auch der Inhalt ausrinnt, sich verdünnt und verflüchtigt? Wenn die jahrhundertelange Trennung zwischen richtig und falsch unscharf wird, wenn die eindeutige Grenze zwischen Wahrheit und Irrtum verwischt erscheint, wenn man heute über Dinge, die früher indiskutabel waren, diskutiert, wird man sie dann morgen nicht in Frage stellen und vielleicht übermorgen belächeln? Wenn das Gespräch zu einem unverbindlichen Gerede wird, das vor nichts mehr Halt macht, zerrinnt uns da nicht der Glaube zwischen den Fingern, zerbröseln da nicht die festen Begriffe, die festen Formen und sicheren Mauern?

 

Kann der Aufbruch, kann die Auflockerung ohne Ende weitergehen? - Das ist eine Sorge und nicht immer nur eine Sorge kleiner Geister. Jeder neue Weg, auch der neue Weg des Konzils, ist bis zu einem gewissen Ausmaß Ungewissheit und Wagnis. Wenn wir uns in dieses Wagnis einlassen, so nicht im Vertrauen auf unsere Klugheit, sondern in demütigem Vertrauen auf den Beistand des Heiligen Geistes. In diesem Vertrauen glauben wir auch, dass wir heute ein großes Atemholen der Geschichte miterleben. Aber so wie das Atemholen, das Einatmen und das Ausatmen einschließt, wie der Wellenschlag aus einem Hin- und Rückrollen besteht, so wird auch diese Phase in der Geschichte der Kirche wieder einmal von einer anderen abgelöst werden. Dem Ausströmen wird das Einholen folgen, dem Gespräch wieder die Definition, der Auflockerung wieder die Festigung. Wir leben heute in der ersten Phase und wir glauben, dass sie absolut notwendig ist.

 

3. Das Echo des Konzils

 

Ich habe versucht, Ihnen ein sehr nüchternes, vielleicht zu nüchternes Bild vom Konzil und seiner Bedeutung für Kirche und Welt zu geben. Ich habe das absichtlich getan, weil ich glaube, dass wir uns in dieser entscheidenden Zeit vor nichts mehr hüten sollen als vor einem allzu billigen Optimismus. Kirche und Welt haben heute noch nicht zu jener Harmonie gefunden, die uns vorschwebt. Sie haben sich noch nicht auf einer gleichen Ebene des Gespräches und des Verständnisses eingefunden; aber wir hören sie einander rufen. Aus diesem Rufen ist das Echo zu erklären, das überraschend positive Echo des Konzils. Das Konzil ist in einem Ausmaße Gegenstand des Weltinteresses geworden, wie es ursprünglich niemand erwartet hätte. Eine Reihe von Gründen scheint mir dafür maßgebend zu sein. Einige dieser Gründe möchte ich hier kurz anführen und damit noch ein erhellendes Licht auf jene Stelle setzen, wo wir eingangs dunklere Farben eingetragen hatten.

 

a) Das Konzil scheint deswegen Gegenstand eines großen Interesses geworden zu sein, weil die religiösen Fragen zwar nicht den Menschen der Gegenwart ausschließlich bewegen, aber ihm doch nicht zu ferne liegen, als es nach einem Jahrhundert einer weitgehenden Säkularisation den Anschein hatte. Seitdem wir die Geschichte der Menschheit kennen, stand immer Glaube gegen Unglaube. In diesem Kampfe meinte der Unglaube schon endgültige Triumphe errungen zu haben. Seit Nietzsche verkündet hatte "Gott ist tot", wurde in den letzten hundert Jahren das Absterben jeden religiösen Gefühls und jeder religiösen Anlage vorhergesagt, Religion wurde als unwissenschaftliche, als atavistisch, als dem heutigen Stand der Entwicklung nicht mehr entsprechend abgetan, deren Schicksal es wäre, langsam abzuwelken und abzudorren. Und doch ist es immer wieder anders gekommen. Die erste und letzte Frage des menschlichen Daseins, die allermenschlichste Frage, die es überhaupt gibt, die Frage, woher komme ich und wohin gehe ich, wozu bin ich überhaupt auf dieser Welt - führt den Menschen zwangsläufig dazu, über den Umkreis seiner irdischen und materiellen Interessen hinauszugehen. Das Nachdenken über den Menschen führt zur Erkenntnis, dass der Mensch nicht das Maß aller Dinge ist. Wahrer Humanismus führt schließlich zu Religion.

 

b) Die Kirche hat sich auf diesem Konzil anders gezeigt, als man es sich vorstellte. Für viele Menschen war die katholische Kirche eine Art geistiger Zwangsanstalt, in der der Wille eines einzigen Menschen, nämlich des Papstes, die Herzen und die Gehirne von Millionen Menschen beherrschte. Wozu braucht eine solche Kirche, wie sie in den Vorstellungen mancher Menschen lebt, überhaupt ein Konzil? Ein unfehlbarer Papst könne doch alles aus eigener Machtvollkommenheit tun? Ein Konzil wäre also doch nicht viel mehr als ein großes Schaugepränge, eine Demonstration äußerer Macht und Geschlossenheit; im übrigen aber wäre es eine Versammlung von Jasagern und Kopfnickern. Dass es nicht so war, hat die Welt vielleicht am meisten in Erstaunen gesetzt. Dass auf dem Konzil mit einem Freimut gesprochen und mit einer Offenheit diskutiert wurde, das hat man nicht erwartet. Das hat man dann schließlich als beispielhaft für eine Welt empfunden, die eine gewisse geistige Lethargie nicht verleugnen kann. Durch den Verlauf des Konzils mussten viele ihre Vorstellungen über die Kirche revidieren. Hier wurde einer staunenden und skeptischen Welt demonstriert, was Freiheit im Geiste heißt. Es wurde gezeigt, dass die Freiheit niemals die Einheit in Frage zu stellen braucht; dass aber auch die Freiheit niemals die Einheit ersticken kann. So hat die Kirche durch dieses Konzil für viele Millionen von Menschen ein neues Gesicht erhalten.

 

c) Johannes XXIII. wurde als welt- und lebensnah empfunden. Wenn wir uns der Persönlichkeit des Papstes zuwenden, der dieses Konzil gedacht, geplant, einberufen und in seiner ersten Sitzungsperiode auch geleitet hat, so dringen wir, wie mir scheint, in den innersten Kern vor, in dem sich die Umwandlung, der Umschlag in der Vorstellung vom Wesen der Kirche für viele Millionen Menschen vollzogen hat. Durch diesen Papst hat die Kirche ein anderes Ansehen erhalten, durch diesen Papst haben Millionen Menschen die Kirche überhaupt erst sehen gelernt. Er hat im Wesentlichen nichts anderes gesagt und getan als die Päpste vor ihm. Aber während diese anscheinend tauben Ohren der Welt predigten, hat diese Welt Johannes verstanden und ihm geglaubt. Weil er glaubhaft war, ist die Kirche wieder glaubhaft geworden. Weil er als welt- und lebensnah empfunden wurde, deswegen ist für Millionen Menschen die Kirche mehr als ein historisches Faktum geworden. Für diese Menschen hat sich eine Möglichkeit abgezeichnet, wieder Beziehung gewinnen zu können, zu ihrem eigenen Leben, zu ihrer eigenen Zeit und ihrer eigenen Umwelt. Sein Leben und Sterben hat die Welt angerührt wie kaum je zuvor das Leben und Sterben eines Papstes. Durch ihn hat Gott seine Kirche in einer säkularisierten Welt wieder existent gemacht.

 

d) Die Einheit der Christenheit wird wieder ernst genommen. Diese neu in Erscheinung getretene, diese wieder existent gewordene Kirche, erhellt aber gleichzeitig umso schärfer die Zersplitterung der Christen. Für eine Welt, die das Christentum bloß als ein historisches Faktum betrachtete - vielleicht auch als eine kulturelle Institution, als kulturhistorisches Museum, als soziologisches Studienobjekt - war auch die Spaltung der Christenheit nur von historischem Interesse. Die Frage der Einheit der Christen, über die durch Jahrhunderte viel geredet, weniger gedacht und nichts getan wurde, wird heute als eine Aufgabe gesehen, für die alle verantwortlich sind. Eine mehr statische Kirche hat Jahrhunderte hindurch nur einen Weg zur Erfüllung dieser Einheit gesehen. Einer mehr dynamischen Kirche bieten sich andere, neue Möglichkeiten an. Von ihr erwarten alle, die an Christus glauben, andere Wege. Dieses Konzil wird die Einheit der Christen formal und juristisch noch nicht bringen. Unser Blick ist heute nicht mehr so fixiert auf ausschließlich juristische Lösungen. Rechtliche und formale Fragen sollen nicht am Anfang stehen, sondern die Bereitschaft, das Verlangen, der Wille zur Einheit. Wir wollen uns keine Illusionen machen. Wir wollen auch keine falschen Illusionen erwecken. - Die Aufnahme, die das Konzil bei den anderen christlichen Glaubensgemeinschaften gefunden hat, beweist, dass von oben, aber auch von unten her der Wille zur Einheit ernst genommen wird.

 

e) Die Einheit der Kirche ist die Hoffnung der einswerdenden Welt. Die Welt drängt zur Einheit. Das ist schon so oft gesagt worden, dass diese Wahrheit in Gefahr gerät, zur Phrase zu werden. Technik und Wirtschaft sind die stärksten Kräfte zur Einheit. Diese einswerdende Welt wird keine christliche Welt sein. Auch die heutige zerklüftete und in Kämpfen verstrickte Welt ist es nicht mehr. Aber diese kommende Welt wird in dem Maß christlich geprägt und beeinflusst sein, als das Christentum in der einswerdenden Welt selber zur Einheit wird. So ist die Einheit der Kirche die christliche Hoffnung der einswerdenden Welt. So wie wir glauben, dass die kommende eine Welt nicht eine reglementierte, totalitäre, gleichgeschaltete Welt sein wird, sondern eine Einheit in der Vielfalt, so soll auch die kirchliche Einheit eine Einheit in der Vielfalt sein, nach dem Grundsatz: soviel Freiheit wie möglich, so viel Einheit wie notwendig. In dem Maße, in dem die katholische Kirche durch das Konzil sich nach diesem Prinzip entfaltet, in dem gleichen Maße werden auch die anderen kirchlichen Gemeinschaften in der auch von ihnen erstrebten Einheit keine Gefahr für die Freiheit sehen.

 

f) Die Internationalität der Kirche trifft heute stärker in Erscheinung. Die kommende eine Welt wird keine abendländische, keine europäisch-amerikanische, keine Welt des weißen Mannes allein sein. Jahrhunderte hindurch war die Kirche trotz aller Missionsbemühungen eine Kirche des europäischen Kulturkreises geblieben. Manche Misserfolge in den Missionen liegen auch darin begründet, dass man das abendländische Kleid mit der Kirche selbst verwechselt hat. Erst in diesem Jahrhundert hat die Kirche entschlossen den Weg der Internationalisierung, auch den Weg der Internationalisierung ihrer Repräsentanz beschritten. Das gegenwärtige Konzil ist ein Abbild dieser Internationalisierung. Jeder Erdteil, jede Rasse, jeder Kulturkreis ist auf diesem Konzil vertreten. Und doch ist dies erst ein Anfang. Die Internationalisierung der Kirche, die hier in Erscheinung tritt, wird sich nicht bloß in der Teilnahme verschiedenfarbiger Bischöfe am Konzil dokumentieren können, nicht bloß in der Feststellung, dass die Kirche keiner Rasse, keinem Kulturkreis, keinem wirtschaftlichen oder politischen System ausschließlich verbunden ist. Sie wird erst dann vollzogen sein, wenn die Kirche in jedem Volk, in jeder Kultur, in der diesem Volke und dieser Kultur adäquaten Form Gestalt gewonnen und eingeboren sein wird. Die afrikanischen und indischen Bischöfe haben auf diesem Konzil manch offenes Wort darüber gesprochen. Wenn die Einheit gesichert ist - und dass sie gesichert ist und bleibt, hat das Konzil bewiesen - dann kann die Grenze der Ausformung der eigenen Lebensgestaltung, der Selbstverwirklichung der Kirche in den verschiedenen Kulturkreisen nicht weit genug gesteckt werden. Dann erst wird man von einer wahren Internationalität der Kirche sprechen können. Diese werdende, in Ansätzen schon vorhandene Internationalität der Kirche als eine Kirche aller Völker, Rassen und Kulturen, ist eines der beglückendsten Erlebnisse des Konzils. Die Kirche, das Konzil, wird hier von der Weltöffentlichkeit als Modellfall aller Internationalisierungsbestrebungen angesehen.

 

Schluß

 

Drei Grundvorstellungen beherrschen das Leben der Gegenwart: Wirksamkeit, Raschheit, Perfektion. Man will Erfolge sehen. Was erfolgt, soll rasch erfolgen und soll in möglichster Vollkommenheit getan werden. Alles soll auf einen Nenner gebracht werden. Unauflösbare Reste erzeugen Unlustgefühle. Wollten wir diese Vorstellungen auf das Konzil anwenden, wären wir in Verlegenheit. Die Welt will Erfolge sehen. Demgegenüber müssen wir sagen: Nicht die unmittelbaren Ergebnisse dieses Konzils sind entscheidend, nicht die aktenmäßig festgehaltenen Beschlüsse, sondern das, was sich an Erlebnissen, Eindrücken und neuem Klima im und durch das Konzil ergibt. - Der Erfolg soll sich rasch, möglichst gleich und jetzt schon einstellen. Demgegenüber müssen wir von der Warte des Konzils aus sagen, dass Wesentliches langsam wächst. Wir können den Zug nicht heute schon in die Endstation einfahren sehen. Wir werden bestenfalls versuchen, ihm Weichen zu stellen. Und es soll drittens alles auf einmal und alles perfekt geschehen. Wir haben in unserer jüngsten Geschichte Endlösungen erlebt, vor denen uns graut. Perfektion kann auch zum Tode führen. Wir sind bescheidener geworden. Wir bekennen uns auch zum Fragment und zum Stückwerk. Bescheidenheit und Demut sind christliche Tugenden. So ziemt uns auch dem Konzil gegenüber neben Glauben und Hoffen, Demut und Bescheidenheit. Wir wissen, dass wir an einer Zeitenwende stehen. Nicht erst seit heute und nicht erst seit gestern. Wir werden noch lange Zeit in einem Zustand des Überganges leben, in einem Übergang vom gestern ins morgen. Das Konzil ist eines der Tore, das vom gestern ins morgen führt.

 

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