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Christentum und Islam - Möglichkeiten und Grenzen eines Dialoges

Vortrag von Kardinal König beim Lions Club Wien-Europa am 5. Dezember 1994

Dieser Tage ging in der Wiener Hofburg eine Konferenz zum Thema "Europa der Religionen" zu Ende. Im Mittelpunkt stand praktisch die Begegnung des Christentums mit den beiden anderen monotheistischen Weltreligionen, das heißt, mit dem Judentum und dem Islam. Im Vordergrund des Interesses steht heute - nicht nur im Kreis der Fachleute, sondern der gesamten Öffentlichkeit, - nicht nur in Österreich, sondern auch im westlichen Europa, die Frage nach der Religion des Islam.

 

Verschiedene Gründe sind hierfür maßgebend: abgesehen von den zahlreichen Gastarbeitern aus der Türkei und Bosnien, von den Studenten an den Hochschulen aus islamischen Ländern, sind es Spannungen auf der internationalen Ebene, von Algerien über Europa, Jugoslawien bis zum Sudan, die Anlass zur Sorge geben. In Frankreich beträgt die Zahl muslimischer Staatsbürger nach Angaben der letzten Zeit bereits 7,3 %, sodass der Islam, nach der Katholischen Kirche, bereits die zweitgrößte Glaubensgemeinschaft im Lande geworden ist. In Deutschland sind es knapp zwei Millionen, mit den Zentren in Berlin, Köln, Frankfurt und München. Die Zahl der Kinder und Jugendlichen muslimischer Eltern schätzt man in Deutschland auf 600.000. Sie wachsen zwischen zwei Welten und zwei Sprachen auf. Für Österreich gelten, nach einer Schätzung vor etwa zwei Jahren, folgende Zahlen: Muslimischen Bekenntnisses sind hier bei uns 2 %; in Wien sind es 4 % und in Vorarlberg 7 %. Und es geht hier um Zahlen, die nicht rückläufig sind.

 

Gelegentliche Nachrichten von fundamentalistischen Unruhen, die auch durch unsere Presse gehen, stiften Unruhe und geben Anlass zur Besorgnis.

 

Meine Aufgabe ist es nicht, hier über Spannungen und Gegensätze zu sprechen, sondern Ihnen zu erklären, was man unter dem Islam und seiner Geschichte versteht. Dazu kommt ein Versuch, der Frage nachzugehen: Wie können Christen und Muslime in einer einswerdenden Welt miteinander in Frieden leben.

 

I. Der Islam, kurzer geschichtlicher Überblick

 

Der "Stifter" des Islam, Muhammad, wurde um das Jahr 570 n. Chr. in Mekka auf der Arabischen Halbinsel, (heute Saudi-Arabien) geboren. Mekka war schon damals ein wichtiges Handels- und Wallfahrtszentrum, wo zahlreiche Götter verehrt wurden. Um das Jahr 610, also etwa im Alter von 40 Jahren, hatte Muhammad sein sogenanntes Berufungserlebnis. Er glaubte, in Stimmen und Geschichten die in einem himmlischen Buch niedergelegte eine Offenbarung zu vernehmen und übernahm die Verpflichtung, diese als Prophet den Arabern zu verkünden.

 

Die Zahl seiner Anhänger war zunächst eher gering, es entstand sogar Widerstand gegen seine neue Lehre, was schließlich um 622 seine Auswanderung nach Medina zur Folge hatte. Von dort aus begann sich der islamische Einflussbereich zu entfalten.

 

Muhammad bezeichnete sich selbst, nach Jesus, als den letzten der Propheten. Er setzte sich zur Aufgabe, die nach seiner Meinung von den Juden und Christen verfälschte Religion wiederherzustellen. Muhammad war Monotheist, das heißt, er übernahm den reinen Eingottglauben von den Juden und Christen und verband damit seine sittlichen und sozialen Forderungen. Bei seinem Tod am 8. Juni 632 war Muhammads Führungsrolle unbestritten.

 

Seine Reden als Prophet und seine Gesetze sind im Koran, der Wiedergabe eines himmlischen Originals, gesammelt. Hier kommt der Name Jesu (geschrieben Isa) etwa 16mal vor; er wird als letzter Prophet bezeichnet. Auffallend ist die Hervorhebung der Mutter Jesu, mit einem Hinweis auf ihre jungfräuliche Empfängnis. Die Kreuzigung Jesu, seine Auferstehung, seinen Platz zur rechten des Vaters, sein Gericht über Lebende und Tote, eine Gemeinschaft der Heiligen lehnt er strikte ab. Daraus kann man folgern, dass Muhammad in seiner Umgebung Christen kannte, von denen er Informationen über ihren Glauben erhielt. Dass er eine schriftliche Vorlage (Bibel) kannte, ist nicht anzunehmen.

 

Die Ausbreitung seiner Religionsgemeinschaft, des Islam, verlief, im Gegensatz zur Geschichte des Christentums und dessen Verfolgungen, sehr erfolgreich und ohne Widerstände. Bis zum Jahr 651, das waren die ersten dreißig Jahre seit der Gründung durch Muhammad, eroberte die neue Religion Syrien, Mesopotamien, den Iran und Ägypten. Die muslimischen Araber nahmen in kurzer Zeit den Mittleren Osten und Nordafrika in Besitz. Dabei gingen große Teile des Christentums verloren. Der Manichäismus, eine Religionsform der Zoroasters, verschwand in diesem Zusammenhang praktisch aus der Geschichte.

 

Im Jahr 711 kamen die Araber nach Spanien, 732 konnte ihr Vordringen in der Schlacht von Tours und Poitiers (Karl Martell) gestoppt werden. Im Osten setzte sich in der Folge die Ausweitung des islamischen Reiches bis nach Indien fort.

 

Im Mittelalter gab es zunächst noch einen gewissen kulturellen Gedankenaustausch mit der christlichen Kultur in Ägypten und Syrien. Die Hochblüte der islamischen Kultur im Mittelalter ist daher nicht ohne Zusammenhang mit der Mitwirkung von Juden und Christen zu sehen.

 

In der Folge übernahmen die durch sogenannte "heilige Kriege" einverleibten neuen Gebiete in zunehmendem Maße die neue Religion mit ihrer Sprache, mit ihrem "heiligen Gesetz", ihrer Politik und Herrschaftsstruktur. Im 14., 15. Jahrhundert wurde der christliche Sudan zum großen Teil muslimisch.

 

Im Jahre 1453, - zur Orientierung: in unserer Heimat wurde damals, 15 Jahre später, das Bistum Wien gegründet, - fiel das christliche Zentrum des Morgenlandes, Konstantinopel, in die Hände des Islam. In den folgenden Jahrhunderten gab es zahlreiche Vorstöße auf dem Balkan, bis nach Westeuropa. In diesem Zusammenhang standen die türkischen Muslime auch zweimal (1529, 1683) vor den Toren Wiens.

 

Die rasche Expansion des Islam war für die Anhänger Mohammeds ein Beweis, dass Allah Mohammed nicht nur als Prophet gesandt hatte, mit seinem heiligen Buch, dem Koran, sondern dass auch die Ausbreitung dieser Religion, das heißt, ihrer Geschichte, eine Bestätigung ihrer Richtigkeit sei. Diese Ausbreitung bezeugte eindrucksvoll Allahs Macht und Schutz.

 

II. Wesentliche Unterschiede zum Christentum

 

Christus starb am Kreuz. Mohammed als siegreicher Eroberer und Herrscher.

 

Wenn der Muezzin vom Turme der Moschee fünfmal am Tag die Gebetszeiten ankündigt, erinnert er die Gläubigen nicht nur daran, dass sie ihre Gebete, Gebetsformen zu verrichten haben, in Richtung Mekka; indirekt ist damit gleichzeitig verbunden der Hinweis, dass es nur einen Gott gibt und dass Mohammed sein Prophet ist. Denn, so lesen wir in der Sure (Kapitel) 112 des Koran: "Im Namen Allahs, des Barmherzigen! - Sprich: Allah ist der alleinige, einzige und ewige Gott. Er zeugt nicht und ist nicht gezeugt; und kein Wesen ist ihm gleich".

 

Auf diesem Satz ruhen die fünf wesentlichen Pflichten der Muslime. Sie sind in einfache, einprägsame Kurzformeln gefaßt, - ohne theologische Spekulationen. Schlicht und einfach heißt es hier: Das ERSTE und wichtigste ist der Glaube an den einen Gott. Daran schließt das ZWEITE Gebot: die fünfmaligen Gebetszeiten am Tage, sowie die Gebetsversammlung in der Moschee am Freitag. Das DRITTE Gebot verlangt das Einhalten des Fastenmonats Ramadan. Ein VIERTES Gebot schreibt das Geben von Almosen vor. Ein FÜNFTES und letztes: Die Pilgerfahrt nach Mekka soll nach Möglichkeit einmal im Leben geschehen.

 

Außer diesen fünf einfachen und leicht fasslichen Vorschriften gilt für die Gläubigen noch das Verbot, Schweinefleisch zu essen, Alkohol zu konsumieren und das Glücksspiel zu betreiben. Am Ende der Zeiten folgt der große Gerichtstag mit der endgültigen Belohnung, bzw. Strafe, durch das Paradies oder die Hölle.

 

In der Religion des Islam gibt es keine Kirche im Sinne der Glaubensgemeinschaft, kein Priestertum, keine Sakramente, keine geistliche Hierarchie, keine Pfarrgemeinden oder kirchliche Versammlungen im Sinne von Konzilien.

 

III. Politik und Religion im Islam

 

Zwischen Islam und Christentum besteht aber ein weiterer, tiefgreifender Unterschied, - trotz der gemeinsamen Wurzel in der alttestamentlichen, jüdischen Offenbarung von dem einen Gott und seinen Propheten: Im Islam sind religiöser Glaube und politische Macht, also Religion und Politik, untrennbar miteinander verbunden. - Ajatollah Chomeini formulierte etwas überspitzt: "Ohne Politik ist der Islam nichts".

 

Diese Verbindung von Religion und Staat geht auf den Propheten selbst zurück, und wird durch die Geschichte bestätigt. Während der Prophet sich anfangs noch um die auch an einen Gott glaubenden Juden bemühte, um ihre Sympathie zu gewinnen, kam es um 624 zum endgültigen Bruch. Das äußere Zeichen dafür war die Tatsache, dass die Gebetsrichtung in Zukunft nicht mehr Jerusalem, sondern Mekka wurde. Mit der Emigration nach Medina beginnt nicht nur die islamische Zeitrechnung, sondern es kommt auch zur Gründung des Islam, der "Umma", in der die Verquickung von religiöser und staatlicher Gemeinschaft wurzelt. Damit wurde Muhammad gleichzeitig zu einem religiösen Propheten, wie zu einem politischen Führer.

 

In dieser Verbindung von politischer und religiöser Gemeinschaft sind nicht nur die persönlichen Glaubensverpflichtungen zu sehen, wie Gebetszeiten, Fasten und Almosensteuer; sondern darin wurzeln vor allem auch die Rechtsvorschriften, die den Staat und die Glaubensgemeinschaft umfassen. Über allem steht das Glaubenswissen um den einen Gott, dem der Einzelne sich gänzlich unterordnen muss. Die Rechte Gottes, die religiösen Pflichten Gott gegenüber, sind das alles Beherrschende. Es gibt keine Unterscheidung zwischen einem irdisch-staatlichen und einem göttlich-transzendentalen Bereich. Glaubenslehre, religiöse Praxis und Rechtsvorschriften sind für den gläubigen Muslim der festgefügte Rahmen, innerhalb dessen er sich selbstverständlich und gottergeben bewegt. Dieser Weg führt ihn am Schluss vor das Gericht Gottes und garantiert ihm die Aufnahme ins Paradies.

 

Die Welt ist eine Schöpfung Gottes. Das Böse ist einfach die Folge eines Widerspruchs gegen das göttliche Gesetz. Jeder hat es in seiner Hand, sich dem Willen Gottes zu fügen oder nicht. Diese vereinfachende optimistische Grundeinstellung führt weiter zu einem ausgeprägt missionarischen Denken, gerade innerhalb der heutigen Völkergemeinschaft. Je schneller, je mehr die Menschen sich an den Willen Gottes und dessen Erfüllung halten, desto besser lassen sich die großen Weltprobleme von heute lösen, und das ebenso aus einer politischen wie aus einer religiösen Perspektive. Ja, der Islam zeigt den Weg in eine bessere Welt.

 

Wenn sich eine solche missionarische Grundeinstellung mit einem unerleuchteten Fanatismus verbindet, dann wachsen die Spannungen. Dem wird allerdings von islamischen Führungskräften energisch widersprochen. Wenn Religion und Staat identisch sind, stellt sich aber dennoch die Frage: Wie weit gibt es in einer solchen staatlichen Rechts- und Gesellschaftsordnung noch Raum für Toleranz, Gewissensfreiheit und Menschenrechte.

 

Vertreter der christlichen Glaubenswelt verweisen in diesem Zusammenhang auf die Frage, die im Neuen Testament gestellt wird, nämlich, ob man dem Kaiser von Rom Steuern bezahlen soll, oder nicht. Jesus antwortet darauf: "Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist (d. h., des Staates) und Gott, was Gottes ist." (Mt 22,21). In dieser Antwort ist der tiefgreifende Unterschied ausgedrückt: während eine christliche Glaubensgemeinschaft, die Kirche, auf die Verschiedenheit von Religion und Staat hinweist, ist im Islam eine solche Unterscheidung nicht möglich. Ein Gegensatz wie zwischen Kaiser und Papst, wie im christlichen Mittelalter, ist im Islam unvorstellbar. Beide Gewalten, das heißt, Kaiser und Papst, sind im Islam dasselbe.

 

Die islamische Gesellschaft, der islamische Staat, hat daher eine doppelte Aufgabe: zum einen eine politische als staatliche und gesellschaftliche Führungskraft; zum andern eine religiöse, das ist die durch den Propheten begründete Gemeinschaft des Glaubens. In der Religion des Islam gibt es keinen Stand der Laien, der verschieden wäre von der geistlichen Autorität. Die heute bekannte Bezeichnung Imam bedeutet so viel wie "Vorbeter", ist aber kein eigener Beruf in der Gemeinschaft. Bei Sunniten und Schiiten aber hat "Imam" noch eine zusätzliche Bedeutung. "Ulema" ist der Gelehrte, der offizielle Mann: er erklärt die heiligen Gesetze und verteidigt sie. Die Nachfolger des Propheten sind die Kalife, führen die politische und religiöse Aufgabe des Propheten weiter.

 

Für die gläubigen Muslime gibt es nur einen islamischen Staat. - Auf die Fälle, wo eine Trennung von Religion und Staat versucht wird, wie z.B. Ägypten oder die Türkei, kann ich in diesem Zusammenhang nicht näher eingehen. -

 

Toleranz gibt es in einem begrenzten Umfang. Nach einer Feststellung des Koran gibt es zwar "keinen Zwang in Religion". In der Praxis aber ist dies nur schwer durchzuführen. Der Islam kennt keine Emanzipation, keine Aufnahme von Nichtglaubenden (z. B. Atheisten und Agnostiker, oder Angehörige anderer Religionen); Religiöse Kriege gab es und gibt es im Islam. Sie waren aber eher von kurzer Dauer.

 

Eine Einrichtung wie die Inquisition der Katholischen Kirche kennt der Islam nicht. Andererseits ist der Abfall vom islamischen Glauben, z. B. eine Konversion, nicht selten mit dem Lebensrisiko verbunden. Grundsätzlich besteht eine größere Toleranz gegenüber den Besitzern eines heiligen Buches, das heißt, Juden und Christen.

 

IV. Möglichkeiten des Dialoges zwischen Christen und Muslimen

 

Damit kommen wir zur zweiten Frage: Ist ein Dialog zwischen Christen und Muslimen überhaupt möglich; gibt es eine gemeinsame Grundlage hierfür? - Eine Hauptursache der Schwierigkeiten liegt in einem gegenseitigen, mehr oder weniger unbestimmten Gefühl der Angst.

 

Die Muslime haben Angst vor dem Westen. Das islamische Selbstbewusstsein leidet in seinen verschiedenen geschichtlichen Lagerungen bis heute noch an den schweren Wunden der Erinnerungen an die Kreuzzüge. Ebenso hat später der westliche Kolonialismus der Neuzeit, die Überlegenheit der nicht-islamischen und säkularisierten Welt in Bezug auf wissenschaftlichen Fortschritt und Technik die islamischen Völker in immer größere Abhängigkeit von den westlichen Staaten gebracht und so Minderwertigkeitskomplexe auf islamischer Seiten geschaffen. Islamische Studenten an westlichen Universitäten brachten bei ihrer Rückkehr in die Heimat liberales, areligiöses, aufgeklärtes Gedankengut mit und beeinflussten intellektuelle Schichten zu Hause. Dies alles führte zu einer Reaktion, zu einer Wiederbesinnung auf die gesellschaftsordnenden Kräfte der eigenen Religion, verbunden mit einer Abwehrhaltung gegenüber einem, wie es hieß dekadenten, amoralischen "gottlosen" Westen. Dadurch wuchs die Entfremdung zwischen Christentum und Islam.

 

Aber Unkenntnis und gegenseitiges Misstrauen vertiefen die Angst. Die Haltung der Muslime gegenüber den Christen wird durch Aussagen des Koran über diese beeinflusst und letztlich bestimmt: von diesen sind einige positiv, andere distanziert bis negativ. Extreme Positionen weisen auf jene Koranstellen hin, die die Christen für den Islam als gefährliche Gegner bezeichnen.

 

Jene Muslime, die einen Dialog mit Christen für zulässig erhalten, berufen sich auf Textstellen des Koran, z. B. Sure 2,25 oder 31,8-9, wo allen das Heil in Aussicht gestellt wird, die an Gott, an den jüngsten Tag glauben und Gutes tun. In Sure 22,17 werden Juden und Christen als Gläubige den Polytheisten gegenübergestellt. Daher "brauchen sie keine Angst zu haben, und sie werden nicht traurig sein" (Sure 2,62). Aber auch in dieser Gruppe ist die Mehrzahl der Meinung, dass der Dialog letztlich überflüssig sei, denn der Islam ist die "endgültige und vollkommene Form der Religion".

 

Eine Minderheit, meist Vertreter der oberen Schichten, spricht sich für den Dialog mit den Nicht-Muslimen ohne Einschränkung aus. Als Grund wird in der Regel die Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit der christlichen Welt im Interesse des Weltfriedens und eines gemeinsamen Zeugnisses für den Glauben an Gott, wie auch für die Lösung der sozialen Probleme im Bereiche der Dritten Welt genannt.

 

Aber auch die Menschen im Westen, die Christen, empfinden Unbehagen, haben Angst vor den Muslimen. Das Misstrauen gegenüber der schwer verständlichen Gedankenwelt, Erinnerungen an die Behandlung christlicher Minderheiten als Schutzbefohlene, die Art der Steuer, um sich vom Übertritt zum Islam zu befreien, alles das spielt mit eine Rolle.

 

Weiters ist für einen Christen, für einen Bürger demokratischer Staaten die Vorstellung, dass Religion im Bereich des Einzelnen, wie der Familie, den gesamten staatlichen Organismus durchdringe und beherrsche, dass Religion und Staat ineinander übergehen, unvorstellbar und unakzeptabel. Nach westlicher Auffassung ist es Aufgabe des Staates, der Religion, den religiösen Gemeinschaften den entsprechenden Freiheitsraum zu sichern. Im Zusammenhang damit sollen zugleich Toleranz, Gewissensfreiheit und menschliche Grundrechte gesichert sein.

 

Nun bringen in zunehmendem Maße die Massenmedien Berichte von Spannungen innerhalb der islamischen Welt, verbunden mit gelegentlichen Aggressionen gegenüber einer nicht-islamisch-dekadenten Welt. Sogenannte Fundamentalisten drohen mit Feuer und Schwert. Das Stichwort vom "Djihad" = Heiliger Krieg, taucht gelegentlich auf.

 

Christen empfinden Angst, wenn sie hören, dass in einzelnen Teilen der Welt das friedliche Zusammenleben abgelöst wird durch enorme Druckmittel der Muslime gegenüber den dort lebenden Christen, in Verbindung mit ihrem Staatswesen. Einer islamischen Ordnung entsprechend, sind Christen Bürger zweiter Klasse. Menschen im Westen empfinden Angst, wenn in unseren Gegenden Reden gehalten werden, die sehr wenig von einer Dialogbereitschaft vermuten lassen.

 

Angst geht oft einher mit Unkenntnis. Ein wichtiges Heilmittel ist daher wohl die gegenseitige Information.

 

Aus christlicher Sicht setzte bereits im 19. Jahrhundert eine hoffnungsvolle Wende ein. Es war die sich damals neu formierende Wissenschaft der Orientalistik.

 

Dieser neuen Wissenschaft war es zu danken, dass der Koran in verschiedene abendländische Sprachen übersetzt wurde, dass das Leben Muhammads näher erforscht und die sehr umfangreiche religiöse und auch mystische Literatur, den christlichen Ländern zugänglich gemacht wurde. Das verhinderte allerdings nicht, dass die religiöse Lehre Muhammads weiterhin abgelehnt wurde.

 

Die viel tiefer greifende Wende im Verhältnis Christentum - Islam brachte der französische Orientalist Louis Massignon aus der Mitte unseres Jahrhunderts. Das Studium der islamischen Mystik, ein wenig bekanntes Kapitel der religiösen-muslimischen Literatur, führte Massignon selber zum katholischen Glauben seiner Kindheit zurück. Fortan sah er seine Lebensaufgabe darin, den Christen die Reichtümer und Schätze der islamischen religiösen Literatur zu erschließen. Er wollte damit das Bleibende und auch für Christen Gültige herausstellen und zugleich Missverständnisse zurechtrücken. Er betonte die Verbindung der drei monotheistischen Religionen und griff dabei, aus muslimischer Sicht, auf die Verbindung mit Abraham durch Ismael zurück. Somit gehören Massignon und seine Schüler zu den Wegbereitern eines islamisch-christlichen Dialoges.

 

Das II. Vatikanische Konzil hat dann neue Möglichkeiten aufgegriffen. In einer "Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen" (1965) kam es zu einer kurzen, aber von Hochachtung getragenen Erklärung des Konzils in Bezug auf die Religion des Islam. Dieses kürzeste Dokument des Konzils wird von verschiedenen Seiten mit recht als "einzigartig" in der Geschichte der Kirche und ihrer Konzilien bezeichnet. In dem Passus, der sich auf den Islam bezieht, heißt es unter anderem: Da es "im Laufe der Jahrhunderte zu Zwistigkeiten und Feindschaften zwischen Christen und Muslim" gekommen sei, ermahnt das Konzil, die Vergangenheit beiseite zu lassen und sich aufrichtig um gegenseitiges Verstehen zu bemühen und "gemeinsam einzutreten für Schutz und Förderung der sozialen Gerechtigkeit, der sittlichen Güter und nicht zuletzt des Friedens und der Freiheit für alle Menschen". (Nostra aetate, Nr. 3).

 

Eine Folge davon war die Einrichtung eines vatikanischen "Sekretariates für den Interreligiösen Dialog", das heißt, Förderung des Gespräches zwischen Christen und nicht-christlichen Religionen. Im Vordergrund stehen dabei die beiden großen monotheistischen Religionsgemeinschaften der Juden und des Islam. Für beide Religionen gibt es eine eigene Sektion in diesem Sekretariat. Der Leiter dieses Sekretariates ist zur Zeit der afrikanische Kardinal Francis Arinze.

 

Abschließend möchte ich feststellen: Der islamisch-christliche Dialog steht noch ganz am Anfang. Große Schwierigkeiten stehen ihm noch immer im Wege: geringes Wissen voneinander, Vorurteile, Angst, Mangel an Einsicht in die Notwendigkeit eines Dialoges von beiden Seiten. - Von fundamentalistischen, fanatischen Gegnern abgesehen, ist - nach Auskunft europäischer Fachleute für den Islam, - die große Masse der Muslime in außereuropäischen Ländern noch folgender Meinung: Ein Dialog mit Christen ist möglich; er hat aber kaum einen Sinn, weil WIR im Besitze der wahren Religion sind.

 

An der Spitze des Islamischen Weltkongresses wird aber immer deutlicher, dass Muslime und Christen in der einswerdenden Welt in Zukunft miteinander leben müssen. Das ist nur möglich durch gegenseitige Kenntnis und gegenseitigen Respekt und immer wieder neue Versuche, Missverständnisse zu beseitigen und Konflikte ohne Gewalt zu lösen.

 

Das vatikanische Sekretariat für den Interreligiösen Dialog ist seitens der katholischen Christen ein Zeichen, eine Bereitschaftserklärung zur friedlichen Koexistenz.

 

Noch ein praktischer Hinweis: Dr. Smail Balic, österreichischer Staatsbürger, aus dem Gebiet von Bosnien-Herzegowina stammend, und kenntnisreicher Gesprächspartner aus dem muslimischen Bereich, hat in einer seiner letzten Arbeiten einen wertvollen praktischen Vorschlag unterbreitet, der gerade aus österreichischer Sicht nicht unbedeutend ist: Man möge die bosnischen Muslime aufgrund ihrer Lebensart und Mentalität als eine Brücke zur Welt des Islam, gerade heute, in einer schwierigen Situation, in Betracht ziehen.

 

Am Schluss füge ich noch ein persönliches Anliegen an: es gehört zu den weitreichenden, die Menschheit belastenden Missverständnissen, dass die drei monotheistischen Religionen, - Juden, Christen, Islam, - untereinander durch geschichtliche Missverständnisse, Vorurteile, verfeindet, zerstritten und aus verschiedenen sachlichen, geschichtlichen Gründen von einem an der Wurzel sitzenden Misstrauen erfüllt sind. Es ist tragisch und schwer zu begreifen, dass trotz der fundamentalen Einheit des Gottesglaubens diese drei Religionsgemeinschaften innerlich zerfallen und entgegengesetzt sind. Es ist tragisch, dass diese drei ganz klar monotheistischen Religionen, für die es keine Parallele in der Religionsgeschichte der Menschheit gibt, - dass sie ihre gemeinsame religiöse Basis noch immer nicht sehen. Denn gerade heute sollten sie diese gemeinsam einsetzen, für Völkerverständigung, Gerechtigkeit und Frieden. Und das alles im Namen des einen, einzigen Gottes, des Schöpfers des Universums und des Menschen - geschaffen nach Gottes Bild und Gleichnis.

 

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