Die Konzilsidee von Konstanz bis Vatikanum II
Im Bereich des Bodenseeraumes befindet sich in der Stiftsbibliothek von St. Gallen ein großes barockes Deckengemälde, das der Darstellung der vier ersten ökumenischen Konzilien gewidmet ist. In diesen theologischen Themen, die sich meines Wissens in anderen barocken Stiftsbibliotheken des 18. Jahrhunderts nicht finden, möchte ich nicht zuletzt auch einen fernen Glanz jenes Eindruckes sehen, den das Konzil von Konstanz in dieser schönen und reichen Kulturlandschaft um den Bodensee hinterlassen hat. Das geografisch naheliegende Ereignis von Konstanz aber ist vom damaligen Abt Cölestin Gugger und dem Maler Wannenmacher in den Deckenzyklus nicht aufgenommen worden, weil seine Erinnerung damals offensichtlich verblasst und in die allgemeine Bedeutung der ökumenischen Konzilien aufgegangen war.
Solches würde in etwa auch für uns gelten, wenn das Gedenkjahr von Konstanz nicht in die Zeit eines neuen Konzils fiele. Der Erzbischof von Freiburg hätte sich wahrscheinlich nicht entschlossen, zu einer so großen Gedenkfeier zu laden, wenn nicht der bisherige Verlauf des II. Vatikanums die Beschäftigung mit dem Konstanzer Konzil nahegelegt hätte (1). Als Konzilsväter und sehr interessierte Zeitgenossen der II. Vatikanischen allgemeinen Kirchenversammlung wissen wir, wie das Interesse für "das" und "die" Konzilien (2) innerhalb und außerhalb der katholischen Kirche in erstaunlichem Maße zugenommen hat. Im Lichte der neuen Aktualität und nicht nur aus einem geschichtlichen Anlass blicken wir zurück auf jene Ereignisse, die sich in dieser Stadt vom Herbst 1414 bis zum Frühjahr 1418 zugetragen haben und die mit der Beseitigung des abendländischen Schismas für immer verbunden sind.
Das Ringen um das Selbstverständnis der Kirche auf dem Constanciense erscheint uns wie ein fernes Präludium auf das umfangreiche Kirchenschema, das in der nächsten, dritten Sitzungsperiode wieder dem Plenum vorgelegt wird (3). Das Ringen um die Aufgaben des Konzils, um seine Funktion im Leben der Kirche, das Ringen um die so anzustrebenden Lösungen spannt einen Bogen vom Konstanzer Konzil bis zum ll. Vatikanum. Es legt sich uns die Frage nahe, was hat man sich überhaupt in diesen Jahrhunderten, von den Konzilien des Mittelalters bis heute unter einem Konzil vorgestellt, und welche Wandlungen spiegeln sich in den Konzilien des Zeitraums wider.
Ich betrachte es als meine Aufgabe, Ihnen auf diese beiden Fragen eine Antwort zu geben. Ich versuche zunächst die Wandlungen zu skizzieren, die sich von Konstanz bis heute in den großen allgemeinen Kirchen-Versammlungen widerspiegeln. Auf diesem Hintergrunde soll dann, mit der gebotenen Kürze, gezeigt werden, welche Gedanken man in verschiedenen Zeiten über die grundsätzliche Stellung eines Konzils in der Struktur der Kirche beziehungsweise seine Funktionen im Leben der Kirche hatte.
I
Ökumenische Konzile sind nicht immer von gleichem Gewicht und gleicher Bedeutung. Die geschichtlichen Umstände haben den jeweiligen Konzilien eine größere oder kleinere Aufgabe gestellt, und die Konzile sind diesen gestellten Aufgaben nicht in gleicher Weise gerecht geworden. Aus diesem Grund will ich - ohne die von Jedin vorgeschlagene Einteilung der Konzilien in vier große historische Typen zu berühren (4) - die allgemeinen Konzilien von Basel - Ferrara - Florenz sowie das 5. Laterankonzil unter dem Konstanzer Konzil zusammenfassen. Damit sind die wichtigsten Etappen des gesamten Zeitabschnittes vom 15. zum 20. Jahrhundert: die Kirchenversammlungen von Konstanz, Trient, Vatikanum l und Vatikanum II, wobei allerdings das Florentinum wegen seines Versuches, eine Wiedervereinigung der West- und Ostkirche zu erreichen, hervorgehoben zu werden verdiente. Bei allen diesen genannten Konzilien ist die Ausgangslage verschieden von den päpstlichen Generalkonzilien des Hochmittelalters.
1. Das Konzil von Konstanz (4a) war das letzte Konzil der geeinten abendländischen Christenheit. Der zu Pisa gewählte Johannes XXIII. hatte den deutschen König Sigmund gebeten, alles zu tun, um die Spaltung der Christenheit zu beseitigen. Als Schirmvogt der Kirche (defensor ecclesiae) hätte er nicht nur das Recht, sondern auch die Macht und die Pflicht, zur Wiedergewinnung der Einheit sich einzusetzen. Nach der Aussprache mit dem Papste Johannes in Lodi entschied sich Sigmund mit der sehr zögernden Zustimmung seines Gesprächspartners für ein Konzil als einziges Mittel, um das große Schisma zu beseitigen und die Kirche zu einen. Denn es standen sich damals drei Päpste gegenüber, die gleichzeitige den Anspruch erhoben, legitime Inhaber des Päpstlichen Stuhles zu sein: Es waren dies der Pisaner Johannes XXIII., der avignonesische Benedikt XIII. und der römische Gregor XII.
Als Tagungsort kam nur eine Reichsstadt in Frage (5), in der König Sigmund Autorität hatte, und zwar eine Stadt in der Nähe der Alpenpässe, die für alle abendländischen Nationen günstig zu erreichen war. Am 9. Dezember 1413 erging die Konvokationsbulle an alle Prälaten der Christenheit, sich am 1. November 1414 in Konstanz zu versammeln.
Diese cooperatio von Kaiser beziehungsweise damals König und Papst zeigt die noch als selbstverständlich empfundene Einheit der Kirche. Kirchliches und profanes Leben bildeten noch eine Symbiose. Wenn König Sigmund zu Weihnachten 1414, also im ersten Konzilsjahr, mit seiner Gemahlin Barbara von Überlingen über den See kam, um in der Mitternachtsmesse des Konstanzer Münsters das Weihnachtsevangelium als Diakon mit Dalmatik und Krone zu lesen, so ist dieses Bild wohl geeignet, die abendländische Einheit von Kirche und Welt zu symbolisieren. Noch einmal wird in diesem Bilde sichtbar das sacrum imperium des Mittelalters, das auf der römischen Reichsidee und dem Gottesstaate Augustinus´ aufbaute. Es spiegelte sich wider in dem unum corpus christianum, dem einen unzerreißbaren Leib der Christenheit. Es war jene Universalität und Größe, die im Imperium der deutschen Nation, im sacerdotium Italiens und im studium Frankreichs gipfelte. Papst und Kaiser waren so eng verbunden, dass man im Kaisertum etwas Sakrales sah und das Papsttum ein wesentlicher Machtfaktor werden konnte. - Diese Einheit bestand allerdings nur für die Kirche des Westens, denn die Ostkirche hatte sich bereits seit langem von der Westkirche getrennt. Ohne Zweifel war es eine große Tat des Konstanzer Konzils, dass durch die Mitwirkung des Kaisers und der einzelnen Nationen das abendländische Schisma überwunden und die Kirche in Einheit noch einmal hergestellt wurde. Wir sagen heute "noch einmal", damals sagte man "wieder" hergestellt. Der am 11. November 1417 als Martin gewählte und von allen anerkannte Papst war der Garant dafür, dass das Konzil sein Ziel erreicht, das abendländische Schisma beendet, die gefährdete Einheit wiedergefunden und die Gefahr des Hussitismus abgewendet worden war.
Konstanz hat aber die drei Aufgaben, die die Situation dem Konzil gestellt hatte, nicht ganz gelöst: Die causa unionis wurde erfolgreich und geschickt gelöst; die causa fidei (Hus) gewaltsam entschieden; die causa reformationis blieb ungelöst, belastete weiter die Kirche und trieb hundert Jahre später in die schwere Krise.
Damit in Verbindung steht der Anbruch einer neuen Welt, die mit ihren Wurzeln in das beginnende 14. Jahrhundert zurückreicht. Die kirchliche und politische Universalität zerfällt, und das Selbstbewusstsein der Nationen beginnt zu erwachen. Das Aufkommen der Nationalstaaten kündet eine neue Zeit an, das städtische Patriziat tritt allmählich als neue soziale Schicht in Erscheinung.
Das empirisch-induktive Denken beginnt sich von Religion und Metaphysik zu distanzieren, der Mensch tritt in den Mittelpunkt. Die Säkularisierung des Weltbildes wird vorbereitet. Mit Kopernikus stürzt das alte Weltbild, und die heute gültige Vorstellung vom Weltall wird grundlegend, und später legt Descartes mit seiner Philosophie das Fundament für die Herrschaft der technisch-naturwissenschaftlichen Weltanschauung. Das psychologisch betrachtete Subjekt erhält den Vorrang vor dem Objekt.
Die Kirche des Spätmittelalters erleidet zudem schwere macht- und prestigemäßige Einbußen. In der Auseinandersetzung zwischen Bonifaz VIII. mit König Philipp von Frankreich siegte der König über den Papst. Die päpstliche Machtstellung hatte sich überspitzt und war zerbrochen. Mit dem König Philipp siegte der moderne souveräne Staat. Dieser ist es, der dann dem Papsttum die Leitung des Abendlandes aus der Hand nimmt.
Zur Zeit als Ludwig der Bayer mit Johannes XXII. rang, schrieb Marsilius von Padua seinen Defensor Pacis, die radikalste kirchenpolitische Schrift des Mittelalters. Ausgehend von den Gedanken der Volkssouveränität und beeinflusst von der Staatsauffassung der Ghibellinen und französischen Legisten, verwirft er den Herrschaftsanspruch des Papstes über Staat und Kirche. Es spricht dem weltlichen Herrscher geradezu eine direkte und oberste Verfügungsgewalt über die Kirche zu. Dem extrem hierokratischen wird der extrem demokratische Standpunkt entgegengestellt. Er barg Sprengstoff für die kirchlichen Auseinandersetzungen in der Zukunft. Er kommt zur Auswirkung auch in der Reformation, durch die die Welt des Konstanzer Konzils ihren schwersten Stoß erhält. Das unum corpus christianum bricht entzwei.
2. a) Auf diese zweifach geänderte Welt seit Konstanz, auf die säkularisierte Welt und auf die gespaltene Christenheit reagiert das Konzil von Trient mit einer aktiven und defensiven Selbstbehauptung. War Konstanz das letzte große Konzil der noch einigen abendländischen Christenheit, so war Trient das letzte in der langen Auseinandersetzung zwischen Kaisertum und Papsttum. In seiner kaiserlichen Periode, das heißt in der ersten und zweiten Tagungsperiode, war der Kaiser Bürge und Mittler der Einheit. Er suchte das Gespräch mit den Häretikern und war noch bemüht, die Einheit der Christenheit herzustellen. Als diese scheiterte, tritt in seiner letzten Periode der Papst als Haupt und Garant der kirchlichen Einheit in Erscheinung. An die kaiserlichen Tagungsperioden schließt sich der päpstliche Konzilsabschnitt. Die römische Orthodoxie wird gegenüber den Glaubenserneuerern zur neuen Ordnung. Die katholische Kirche wird zur römischen Kirche. Das Konzil wird zur Bischofsversammlung, die unter starker päpstlicher Mitwirkung und Einflussnahme steht. Die zerstörte Glaubenseinheit war nicht mehr zu retten, aber die katholische Kirche erfüllte neues Leben. So wurde - wie Jedin treffend feststellt - Trient zum Konzil der Gegenreformation und zugleich ein solches der katholischen Reform. Das reicht so weit, dass man seit dieser Zeit von einem nachtridentinischen Katholizismus spricht. Die innere Kirchengeschichte war bis in die jüngste Gegenwart im Grunde nichts anderes als eine fortdauernde Durchführung des Trienter Reformwerkes. In dem von Bellarmin und Torquemanda entwickelten Kirchenbegriff tritt die rechtliche Seite stärker hervor, die Bedeutung der ökumenischen Konzilien tritt stark zurück. Den Konzilien gegenüber wird das ordentliche Lehramt der mit dem Papst in Gemeinschaft stehenden Bischöfe besonders hervorgehoben.
b) Der nachtridentinische Katholizismus erreicht seinen Höhepunkt in der defensiven Haltung der ersten vatikanischen allgemeinen Kirchenversammlung gegenüber dem Ansturm der Zeitirrtümer. Die Einheit und Geschlossenheit der immer mehr zentralistisch geleiteten Kirche widerstehen wirksam den antichristlichen philosophischen Systemen der Neuzeit, dem Rationalismus, dem Agnostizismus, dem Pantheismus und dem virulent gewordenen Materialismus. Damit war gleichzeitig verbunden die Herausstellung der geistlichen Gewalt des Papstes, was den Verlust der materiellen Positionen zur Voraussetzung hatte.
In beiden Konzilien, sowohl im Tridentinum wie im I. Vatikanum, kam aber auch zum Ausdruck, dass man sich noch nicht lösen konnte von einem nur abendländischen und nur uniformen Denken. Man konnte damals noch nicht richtig verstehen oder erfassen, dass Christentum und Kirche in verschiedenen geschichtlichen Phasen sich auch etwas verschieden ausprägen können. Ein wirklich geschichtliches Denken war noch nicht hinreichend ausgebildet. Erst auf dem II. Vatikanum beginnt man in Weltkategorien zu denken und setzt sich die Erkenntnis durch, dass der Zentralismus nicht mehr die Bedeutung hat wie früher.
3. Im II. Vatikanum wird sichtbar, wie sehr sich die Situation der Kirche in der Welt oder der Welt gegenüber geändert hat, wie sehr die Welt eine andere geworden ist. Das gilt von der Wissenschaft und Technik als Faktoren dieser Änderung. Das gilt vom Denken der Menschen ebenso wie von ihrem Lebensrhythmus. Auch die außerchristliche Welt ist gewandelt. Die großen nichtchristlichen Völker Afrikas und Asiens sind aktiv in die Geschichte eingetreten. Die nichtchristlichen Religionen treten in ihrer Eigenschaft mehr in Erscheinung und zwingen zur Konfrontation. Die nichtchristliche Menschheit vermehrt sich stärker als die Christenheit. - Ja, die gesamte Christenheit befindet sich in einer andern Lage als bisher. Die territoriale Trennung der Konfessionen kommt zu einem Ende. Alle christlichen Kirchen befinden sich in einer Art Diasporasituation. Die ökumenische Bewegung als Sehnsucht nach der vom Herrn gewollten Einheit ist zum ersten Mal in diesem Ausmaß vorhanden.
Die Antwort des II. Vatikanums auf diese Welt ist positiver, anders als die defensive Haltung von Trient und dem I. Vatikanum gegenüber der damaligen Welt. Nicht durch den äußeren Druck von Zeitirrtümern ist das II. Vatikanum einberufen worden. Die Kirche wurde nicht von außen, sondern von innen im Papst Johannes zum Konzil gedrängt, um das Wort Gottes besser und allseitiger zu verstehen, um die Wahrheit über die Kirche umfassender auszusprechen, um die Frohbotschaft wirksamer zu verkünden einer Welt, die heute aufnahmebereiter zu sein scheint als früher.
Wir dürfen nicht übersehen, dass sich die Kirche auch in diesem Konzil der Wahrheitsfrage stellen muss. Wenn eine theologische Journalistik - bei aller Anerkennung der großen publizistischen Wirksamkeit und informativen Ausstrahlung - stark in die Richtung pastoraler Anweisungen durch die Kirchenversammlung drängt, so kann das Konzil die Wahrheitsfrage nicht zurückstellen. Für praktischpastorale Anweisungen braucht man im Grunde keine allgemeine Kirchenversammlung. Die Geschichte sagt uns: Je eindrucksvoller ein Konzil die Wahrheitsfrage gestellt hat, desto wirksamer ist es gewesen. Wenn sich die Kirche im heutigen Konzil auf ihr Wesen besinnt wie nie zuvor und dies in positiven - nicht apologetischen - Aussagen zusammenfasst, so sucht sie in der Wahrheitsfrage und deren allseitiger Erkenntnis neue Fortschritte zu machen. Zudem ist es ein Charakteristikum unserer heutigen allgemeinen Kirchenversammlung, dass sie sich bemüht, die Welt zu verstehen. Die heutige, aus regionalen Kulturkreisen einswerdende Welt wird nicht als Gegnerin, sondern als mündig gewordener Partner betrachtet. Die wissenschaftlich orientierte Welt wird positiv gewertet und positiv angesprochen. Die Art und Weise, wie in unseren Tagen auf der allgemeinen Kirchenversammlung Primat und Episkopat, sacerdotium und Laien behandelt werden, gleicht einem Hinabsteigen, einem Hingehen der Kirche zur Welt.
Die Einschätzung der nichtchristlichen Religionen wandelt sich, und diese Wandlung tritt auf dem II. Vatikanum in Erscheinung. Der Hinweis auf den allgemeinen Heilswillen Gottes ist zwar kein Ersatz für das opus operatum, das den nichtchristlichen Religionen fehlt. Aber die Bewertung des opus operantis eröffnet uns neue Wege, und wir verstehen, dass in den nichtchristlichen Religionen Wahrheitselemente vorhanden sind, die zum persönlichen Heilsakt helfen können.
Auch die außerchristlichen Religionen sind nicht ausgeschlossen vom allgemeinen Heilswillen Gottes. Die Einrichtung eines neuen Sekretariates für die nichtchristlichen Religionen ist einerseits eine Frucht des Konzils, andererseits ein Ausdruck der gewandelten Konfrontation. - Die weitere Folge all dieser Dinge ist nicht nur die überraschend große Weltresonanz des II. Vatikanums, sondern auch die Tatsache, dass die Kirche heute mehr als früher gehört wird.
II
Damit wenden wir uns der zweiten Frage zu, das heißt, welches die Ideen waren, die man in und zur Zeit Konstanz' hatte über die grundsätzlichen Aufgaben eines Konzils in der Struktur der Kirche beziehungsweise über seine Funktion im Leben der Kirche. Weil die Antwort auf diese Frage mitbestimmt wird durch die großen geistigen Wandlungen innerhalb und außerhalb der Kirche, wie sie ihren Niederschlag in den Konzilien findet, deswegen war der im ersten Teil geschilderte Überblick notwendig.
1. Wir kehren wiederum zum Konstanzer Konzil zurück. Man kann sagen, dass alle Konzilien um das Verständnis der Kirche ringen, dies das Grundanliegen aller Konzilien ist. Wenn Paulus VI. in der Eröffnungsansprache vor Beginn der zweiten Sitzungsperiode auf die Kirche als Zentralthema des II. Vatikanischen Konzils hingewiesen hat, so klingt das in der geschichtlichen Perspektive wie eine Antwort auf die in Konstanz und später offen gebliebenen Fragen, in denen noch keine volle Wahrheitsaussage über das Wesen der Kirche gelang.
Auf dem Konstanzer Konzil ist das Ringen um die Kirche in zweifacher Hinsicht spannungsreich und lebensbedrohend geworden. Einerseits war die historische Tatsache des kirchlichen Notstandes (6) gegeben, weil es drei Päpste gab und keiner als unbezweifelt rechtmäßiger Papst gelten konnte. Andererseits standen sich verschiedene Auffassungen von der Kirche gegenüber, eine papalistische und eine demokratische, die als Ausgleich eine konziliaristische Lösung hervorgebracht hatten. Die konziliaristische Idee hat ihre Wurzel, wie Tierney (7) in seiner Untersuchung gezeigt hat, in den Erörterungen der Kanonisten des 12. und 13. Jahrhunderts über die Struktur und die Verfassung der Kirche. Im Sinne der Repräsentationstheologie und des Korporationsgedankens könne das Konzil in kirchlicher Notzeit auch als Instanz gegen angeblichen oder wirklichen Missbrauch der päpstlichen Gewalt fungieren. (Zum Beispiel in der Annahme, dass der Papst in eine Häresie falle oder geisteskrank werde.)
Weil das Konstanzer Konzil in dieser Auffassung den Ausweg aus der Kirchenkrise sah und damit die Kirchenspaltung tatsächlich überwand, will ich den damals zur Konzilsidee gewordenen Konziliarismus (8) in seinem Ursprung und in seinem Sinn etwas näher erörtern. Im Jahrhundert des Kampfes um die hierarchische Machstellung von Kirche und Papsttum in der geeinten Welt der abendländischen Christenheit wurde der kanonistische Kirchenbegriff ausgebildet, noch bevor seine theologische Ausarbeitung möglich war. Vielleicht ist man dadurch der einseitigen spiritualistischen Auflösung des Kirchenbegriffes entgangen, wie ihn Wiclif und Hus vertraten, die nur eine unsichtbare, pneumatische Kirche der Prädestinierten annahmen und deswegen Hierarchie und Christentum ablehnten. Der kanonistische Kirchenbegriff fand seine erste Ausbildung und praktische Anwendung im sogenannten hierokratisch-papalistischen Kirchenbegriff, der den Papst zum alleinigen Haupt der Christenheit und zur Quelle allen Rechtes machte, dessen Wille höchste Norm bedeutete. Dies nicht nur im Verhältnis von Kirche und Staat im Sinne einer potestas directa, sondern auch im Organismus der Kirche selbst: Der Papst ist Inbegriff der Kirche (9). Der Hauptvertreter dieser Papsttheorie war Aegidius von Rom, und in Deutschland ist es der Bischof von Bamberg, Lupold von Bebenburg. Aus dieser papalistischen Einstellung heraus erklären sich die päpstlichen Generalkonzilien des hohen Mittelalters (Lateranense I-IV, Lugdunense I-II, Viennense). Als Gegenpol gegen die extrem papalistische Kirchenidee entwickelte Marsilius von Padua (10) in seinem "Defensor pacis" einen demokratischen Kirchenbegriff, der den prinzipiellen Unterschied zwischen Klerikern und Laien leugnet und sich gegen die hierarchische Struktur der Kirche überhaupt wendet. Mit dem kanonistischen Recht verwirft er auch jeglichen Herrschaftsanspruch des Papstes und wird durch seine Berufung auf das Konzil zum Schrittmacher der konziliaren Doktrin. Für Marsilius und seine Anhänger ist die Hierarchie bloß geschichtlichen, nicht göttlichen Ursprungs.
Als Ausgleich zwischen papalistischer und demokratischer Kirchenidee entwickelte sich im Laufe des 14. Jahrhunderts immer mehr ein konziliaristischer Kirchenbegriff, der – wie der papalistische – aus einer kanonistischen Schau der Kirche hervorging und auf dem mittelalterlichen Repräsentations- und Korporationsgedanken aufbaute. Dadurch, dass seit Beginn des 14. Jahrhunderts, vor allem durch Marsilius von Padua und Wilhelm von Ockham demokratische Ideen immer stärker in die Kirche Eingang fanden und auf die Kirchenverfassung angewandt wurden, bekam die konziliare Doktrin ihre revolutionäre Begründung und Wirkung. Vollends aktuell wurde dies durch den Ausbruch des Schismas, als sich die Pariser Universität zur Vorkämpferin des Konzilsgedankens machte. Zwei der hervorragendsten deutschen Mitglieder, Heinrich von Langenstein, bald darauf Professor in Wien, und der Wormser Dompropst Konrad von Gelnhausen, haben damals die Ansicht vertreten, dass der kirchliche Notstand des Schismas und eine wirksame Kirchenreform nur durch den Spruch eines allgemeinen Konzils bewältigt werden können. Auch die früher, 1394, von der Sorbonne abgefasste Denkschrift sah neben einer freiwilligen Abdankung der beiden damaligen Päpste oder ihrer Unterwerfung unter ein Schiedsgericht in der konziliaren Lösung den Ausweg aus der kritischen Situation. Es waren vielfach die Besten unter den Theologen und Kanonisten des 15. Jahrhunderts, etwa ein Kardinal Peter d'Aily und sein großer Schüler Johannes Gerson, die auch auf der allgemeinen Kirchenversammlung dieser Stadt den konziliaristischen Standpunkt vertraten. Auch Nicolaus Cusanus und Enea Silvio Piccolomini, der spätere Pius II., waren in ihrer Jugend – in verschiedener Weise – Anhänger des Konziliarismus. Es läßt sich nicht leugnen, dass diese Konzilsidee damals Kirche und Kirchenversammlung aus der schwierigsten Situation retteten.
In der Verfolgung und Ausführungen der konziliaristischen Empfehlungen erließ das Constanciense am 6. April 1415 – nach der Flucht Johannes XXIII. – das Dekret "Haec sancta", in dem folgendes bestimmt wird: 1. Das Generalkonzil repräsentiert die katholische Kirche. 2. Das Generalkonzil hat seine Gewalt unmittelbar von Christus und 3. Dem Generalkonzil hat jeder Stand in der Kirche, auch der päpstliche, zu gehorchen in Sachen des Glaubens, zur Beseitigung des Schismas und der Reform der Kirche an Haupt und Gliedern.
Dieses viel genannte Dekret "Haec sancta" gibt die klassische Formulierung der konziliaren Doktrin und seine These von der Superiorität des Generalkonzils über den Papst wieder. Es war damals ohne Zweifel eine situationsbedingte Notmaßnahme, durch die das Konzil faktisch über Johannes XXIII., der einer der drei Päpste war, richtete. Zur Zeit ist wieder die Frage aufgeworfen worden, ob das Dekret "Haec sancta" durch Martin V. oder dessen Nachfolger bestätigt und damit auch heute als konziliares Dokument gültig sei. Dafür sprechen sich vor allem aus de Vooght, OSB (11), und Professor Küng (12) von Tübingen. Ich schließe mich der Meinung an, wie sie von Jedin (13) und Gill (14) unter anderem vertreten wird, die daran festhalten, dass die konziliare Gültigkeit dieses Dokumentes nicht erwiesen ist. Eine Bekräftigung dieser Meinung findet sich vor allem in der Tatsache, dass die Konzilsväter selber sich vom Papst Gregor XII., dem Papst römischer Obedienz, zuerst autorisieren ließen, bevor sie seinen Rücktritt annahmen. – Es scheint also festzustehen, dass eine formelle Bestätigung des Dekretes durch Martin V. oder Eugen IV. nicht erwiesen ist. Auf der anderen Seite ist es wohl auch richtig, dass dieses Dekret formell nie außer Kraft gesetzt wurde (15).
Neben dem Dekret "Haec sancta" erließ das Konstanzer Konzil am 9. Oktober 1417 das Dekret "Frequens", das bestimmt, dass allgemeine Konzilien in periodischen Abständen gehalten werden sollen. Die Absicht war wohl, ein Gegengewicht gegen den päpstlichen Absolutismus zu schaffen und eine geordnete Kirchenreform zu garantieren. Im Sinne dieses Dekretes wären solche regelmäßigen Kirchenversammlungen zu einer ständigen Einrichtung und zu einem Teil der Kirchenverfassung geworden. Aus dem Konzil wäre ein Kirchenparlament geworden, das zu einer Kontrollinstanz auch für das Papsttum hätte werden können. Man sah eben damals eine Reform der Kirche nur auf dem Wege einer Änderung der kirchlichen Verfassung und einer Beschneidung des päpstlichen Zentralismus. Das Dekret "Frequens" wurde nie aufgehoben, aber von den Päpsten – nach ersten Versuchen unter Martin V. – auch nie durchgeführt.
Ähnlich wie man früher den hierokratischen und papalistischen Kirchenbegriff überspitzt hatte, so überspitzte man die konziliare Idee auf dem zwölf Jahre später stattfindenden Konzil zu Basel, und mit dem kläglichen Ende dieses Konzils hat auch die konziliare Idee ihre Wirksamkeit eingebüßt. Der konziliare Missbrauch löste ein Misstrauen der Päpste gegenüber dem Konzil aus und Pius II., der wie gesagt in seiner Jugend Anhänger des Konziliarismus war, verbietet in seiner Bulle vom 18. Januar 1460 jede Appellation vom Papst an das Konzil. Das konziliare Anliegen lebte allerdings weiter, weil das Reformanliegen unerledigt geblieben war.
2. Auf dem Konzil von Trient war der Konziliarismus als Konzilsidee bereits eine Episode am Rande der Kirche. Aufgrund seiner Verbindung mit dem Gallikanismus wurde er gelegentlich als Druck- und Schreckmittel des Staatskirchentums gegenüber dem Römischen Stuhl gebraucht. Im 17. Jahrhundert bildete er den Streitpunkt zwischen Gallikanern und Kurialisten. Noch in der Deklaration des französischen Klerus von 1682 heißt der zweite Artikel: Die Beschlüsse des Konstanzer Konzils über die Autorität der allgemeinen Konzilien bleiben in unveränderter Geltung und sind nicht zweifelhaften Ansehens oder nur für die Zeit des Schismas erlassen. Im 18. Jahrhundert traten die konziliaristischen Forderungen gegenüber den episkopalistischen Ansichten und Tendenzen zurück. Mit dem Ende des Gallikanismus – französisches Konkordat von 1801 und vor allem Vatikanum I – ist der Konziliarismus als Konzilsidee erloschen.
Das Trienter Konzil war zögernd und zu spät einberufen worden. Die Angst vor schlechten Erfahrungen mit Konzilien in der Vergangenheit mag noch immer nachgewirkt haben. Aber neben dem Drängen des Kaisers setzte sich die allgemeine Erkenntnis durch, dass ein Reformwerk großen Ausmaßes in der Kirche nicht von oben befohlen, sondern erfolgreich nur über die Repräsentation der Kirche im Konzil erreichbar ist. – Die Konzilsidee des Tridentinismus ist nach dem zentralen – papalen Kirchenbegriff ausgerichtet. Dass in einem gemäßigten Konziliarismus auch echte und gute Anliegen enthalten sein können, war den Blicken entschwunden und wurde auch als Diskussionsmöglichkeit nicht in Betracht gezogen.
3. In der I. Vatikanischen Kirchenversammlung findet die Trienter Konzilsvorstellung einen Höhepunkt durch die Ausrichtung auf jenen Kirchenbegriff, der im Papsttum den Inbegriff der Kirche sieht. (Summus Pontifex ... qui potest dici ecclesia.) Der nachtridentinische Katholizismus sieht im I. Vatikanum das Hauptanliegen darin, die defensive Haltung gegenüber den aggressiven Formen des Unglaubens und Irrglaubens zu verstärken. Durch die scharfe Verurteilung der Zeitirrtümer setzt das I. Vatikanum unter anderen Umständen ebenfalls einen Akt abwehrender Selbstbehauptung. Dadurch wurde die Kirche gerettet. Gleichzeitig aber isolierte sie sich und schloss sie sich von der Welt ab. Hier mag einer der Gründe liegen, warum sich die Kirche bis heute schwer tut, modernistisches und integralistisches Denken innerlich zu bewältigen und zu überwinden. Nach der Definition der Unfehlbarkeit des Romanus Pontifex wurden die restlichen Punkte des Kirchenschemas, die Behandlung des Bischofsamtes zurückgestellt – nicht nur wegen der Unterbrechung des Konzils, sondern vielleicht auch deswegen, weil die Zeit für eine konziliare Behandlung dieser Frage noch nicht reif war. Die Theologie des Primates war ein weiterer Grund, um konziliare Theorien gänzlich zu verdrängen.
Damit hatte der Pendelschlag der Konzilsidee nach der entgegengesetzten Seite von Konstanz die größte Amplitude erreicht. Zwischen Konstanz und Vatikanum I spannt sich die mögliche Weite der Vorstellungen über die Aufgaben eines Konzils.
4. Extreme Einseitigkeiten lösen aber immer Reaktionen aus. Das gilt sowohl vom extremen Konziliarismus in Konstanz, der in Basel scheiterte, wie von extremen Interpretationen des Vatikanums I, als ob das Summus Pontifex allein die Kirche sei. Extremismus bedeutet auch immer Verarmung.
Vatikanum II scheint mir wieder zur lebensvolleren Mitte der Konzilsidee zu tendieren und eine coincidentia oppositorum anzustreben, indem es beides, das Anliegen von Konstanz und das Anliegen von Vatikanum I aufgreift und zu einem inneren Ausgleich zu bringen versucht. Ein solcher Ausgleich – so können wir heute sagen – ist vorbereitet worden durch die Erneuerung der Ekklesiologie, wie sie im 19. Jahrhundert nicht zuletzt in Tübingen durch Möhler begonnen wurde und im Mystici corporis Pius' XII. einen Höhepunkt erreichte. Die Ekklesiologie Möhlers hatte auf die Theologen des Collegium Romanum, auf Perrone, Passaglia und Schrader einen großen Einfluss ausgeübt und durch sie im geplanten Kirchenschema des I. Vatikanums bereits Spuren hinterlassen.
Das II. Vatikanum ist auf eine neue historische und theologische Situation gestoßen und dadurch leichter in der Lage, die Synthese von Konstanz und dem I. Vatikanum zu versuchen. Die Kirche des II. Vatikanums fühlt sich stark genug, um sich der Welt von heute aufzuschließen und ihr weder defensiv noch negativ, sondern positiv gegenüberzutreten. Im sicheren Besitz der Lehre des I. Vatikanums, wodurch das Einheitsprinzip der Kirche untermauert wurde, kann man heute – ohne konziliaristische oder episkopalistische Tendenzen fürchten zu müssen – den regionalen Bischofskonferenzen größere Selbstständigkeit einräumen und eine gesunde wie notwendige Dezentralisation ins Auge fassen. Denn das II. Vatikanum hat bereits zu einer grandiosen Manifestation der kirchlichen Einheit und Präsenz der Universalkirche geführt, die nicht nur in der Uniformität, sondern auch im Pluralismus ihrer vielfältigen Formen beeindruckt. Die Vorstellung, welche die Konzilsväter heute von ihrem Konzil haben, greift einerseits nach dem Anliegen von Konstanz, ausgedrückt im Decretum frequens. Denn es ist der Wunsch, den Konzilsväter heute oft aussprechen, dass ein Generalkonzil öfters und nicht nur alle 100 Jahre stattfinden soll. Ja, auch das richtige Anliegen des Konziliarismus von Konstanz wird heute wieder zur Geltung gebracht, in der Diskussion und Entscheidung über die Kollegialität der Bischöfe und in der Herausstellung der höchsten Autorität des mit dem Papst versammelten Konzils. Die große Weltresonanz des bisherigen Konzilverlaufes hat einen sehr großen Prestigegewinn der ganzen Kirche gebracht. Die noch nicht beendete Diskussion über die Kollegialität der Bischöfe beabsichtigt nicht eine Korrektur, sondern eine Ergänzung des I. Vatikanums. Dieses Anliegen will besagen, dass die Kirche heute nicht nur patriarchalisch geleitet werden kann, weil die einswerdende und zugleich differenzierte Welt durch das Bischofskollegium in der Kirche repräsentiert werden soll. Dadurch ergibt sich eine verstärkte Wirksamkeit des obersten Guberniums und eine Vervielfältigung der Kontakte zur Welt. Darin spiegelt sich also heute das gesunde Anliegen des damaligen gemäßigten Konziliarismus, so wie ihn die Besten unter den Konstanzer Kirchenmännern vertreten haben, wie ihn Cusanus verstand, ohne in den Verdacht häretischer Gesinnung zu geraten.
Ein anderer Aspekt des Konstanzer Konzils wird heute wieder interessant: Damals ist der Einfluss der Laien verhältnismäßig stark in Erscheinung getreten. Es waren in Konstanz anwesend nicht nur Fürsten, sondern auch Abgesandte der Universitäten, Hunderte von doctores und Vertreter des italienischen Humanismus. Die Laien sind später immer mehr von den Konzilien ausgeschlossen worden. Heute treten sie auf dem II. Vatikanum wieder in Erscheinung, wenn auch in anderer Form: als auditores und auditrices. In Konstanz spielten die nationalen Elemente eine Rolle. Das II. Vatikanum greift das berechtigte Anliegen der nationalen Kulturen wieder auf in der Volkssprache der Liturgie und in den neuen Kompetenzen der nationalen Bischofskonferenzen. Während man sich in Konstanz um die Einigung der gespalteten katholischen Kirche bemühte, ringt das II. Vatikanum um die Einigung der gespaltenen Christenheit. Vorbereitet und getragen durch die liturgische Erneuerung, das Laienapostolat als eigenständige Laienbewegung, die Missionsbewegung, eine theologische Erneuerung und eine ökumenische Theologie befindet sich das II. Vatikanum in einer völlig anderen Situation als das erste. Es hat, wie noch nie ein Konzil, die ganze Welt und die ganze Menschheit im Blickpunkte.
Der Zug zur Mitte, zur coincidentia oppositorum auf dem heutigen Konzil besteht theologisch in der Polarität zwischen göttlicher Autorität und menschlicher Freiheit, ekklesiologisch im organischen Zusammenwirken von Papsttum und Bischof, von Klerus und Laienwelt.
Ein Blick auf die Konzilsidee, wie sie sich widerspiegelt von Konstanz bis zum Vatikanum II, kann die Konzilsväter von heute nur bestärken, auf dem bisher beschrittenen Weg mutig fortzufahren.
Anmerkungen:
(1) Siehe H. Jedin, Bischöfliches Konzil oder Kirchenparlament? Vorträge der Aeneas Silvius Stiftung an der Universität Basel, Basel und Stuttgart 1963, 37.
(2) B. Botte, Le Concile et les Conciles, Chevetogne, Paris 1962.
(3) Das Gesagte gilt aus der Sicht des Frühsommers (11. Juli) 1964, als der Vortrag gehalten wurde.
(4) Strukturprobleme der ökumenischen Konzilien, Vortrag in der Arbeitsgemeinschaft für die Forschung des Landes Rheinland-Westfalen 17. 7. 1963. (4a) LThK 2.Aufl. VI, Freiburg i. Br. 1961, 501ff.; H. Jedin, Kleine Konziliengeschichte, Freiburg i. Br., 3.Aufl. 1961, 61; H. Schmidinger, in: Anima 15 (1960), 308-318; Das Konzil von Konstanz, Beiträge zu seiner Geschichte und Theologie, herausgegeben von A. Franzen und W. Müller, Herder, Freiburg 1964.
(5) Vgl. Otto Feger, Geschichte des Bodenseeraumes III, 1963, Konstanz, Lindau, Stuttgart, 157.
(6) H. Jedin, Bischöfliches Konzil oder Kirchenparlament? usw. 1963, 23.
(7) P. B. Tierney, Foundation of the Conciliar Theory, Cambridge 1955. Vgl. dazu die Arbeit von F. Merzbacher, Wandlungen des Kirchenbegriffs im Spätmittelalter, Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, kan. Abt. 39 (1952), 274ff.; L. Buisson, Potestas und Caritas, Die päpstliche Gewalt im Spätmittelalter, Köln-Graz 1958.
(8) LThK 2.Aufl. VI, Freiburg i. Br. 1961, 532ff.; H. Jedin, Geschichte des Konzils von Trient, Freiburg i. Br., I 2.Aufl. 1951, 1-48.
(9) Vgl. Aegidius von Rom (1243/47-1316), ein Schüler des hl. Thomas von Aquin, der in seinem Traktat, De ecclesiastica sive summi pontificis potestate, die These vertritt: Summus Pontifex ... qui potest dici ecclesia. Dieses kirchenpolitische Werk dient der späteren Bulle "Unam Sanctam" Bonzifaz' VIII. als Grundlage zur Darstellung des päpstlichen Universalismus.
(10) 20 Jahre nach der Bulle "Unam Sanctam", das heißt 1324.
(11) Vgl. Le Concile et les Conciles, Chevetogne, Paris 1962, 143-81. Seine Gedanken entwickelt er weiter in: Irenicon XXXVI (1963) 61-75 und 326-32. Gleichzeitig setzt er sich damit mit seinen Kritikern auseinander. In Istina (Jänner-März 1963) 51-86 entfaltet er seine Argumente weiter.
(12) Sehr ausführlich befaßt sich Küng mit der ekklesiologischen Bedeutung des Konzils von Konstanz sowie mit den Konstanzer Dekreten in den Quaestiones Disputatae: Strukturen der Kirche, Freiburg-Basel-Wien 1962, 244-290. Küng, der sich besonders auch auf die Arbeiten von de Vooght stützt, will nachweisen, dass das Dekret Haec sancta ein allgemein verbindliches Glaubensdekret ist. Es läge zwar keine formelle Bestätigung durch Martin V. vor, aber seine allgemeine Zustimmung biete die Grundlage, um diesem Dokument eine dogmatische Geltung zu geben. Außer seinen ausführlichen Untersuchungen zieht er folgenden Schluss S. 259: "Was wurde also, wenn wir das Ergebnis des Konzils für unseren Problemkreis zusammenfassen wollen, in Konstanz definiert? Nicht definiert wurde der konziliare Parlamentarismus (im Sinne des radikalen Konziliarismus): nach diesem wäre die gewöhnliche ordentliche Leitung der Kirche vom Papst auf das Konzil übertragen worden und der Papst zu einem untergeordneten Exekutivorgan des konziliaren Parlaments degradiert. Zweifellos wurde dieser radikale Konziliarismus von manchen auf dem Konzil vertreten ... Definiert wurde aber jedenfalls eine bestimmte Art von Superiorität des Konzils (im Sinne einer, wenigsten gemäßigten, "konziliaren Theorie"): danach hat das ökumenische Konzil nicht nur für den damaligen Notfall, sondern auch in Zukunft die Funktion einer Art von "Kontrollinstanz" über den Papst, dessen Versagen in Häresie, Schisma usw. grundsätzlich ja auch in Zukunft möglich war. Für die Notwendigkeit einer bestimmten Kontrolle des Papstes durch das ökumenische Konzil als die Repräsentation der Gesamtkirchen waren alle Konzilsteilnehmer, auch die gemäßigten Konzilsväter und der Papst. Das Dekret "Frequens" diente der Realisation des Dekretes "Sacrosancta", diente der Wahrnehmung jener konziliaren "Kontrollfunktion"“.
(13) Bischöfliches Konzil oder Kirchenparlament? S. 37f.
(14) J. Gill, S.J., The Fifth Session of the Council of Constance, The Heythrop Journal V (1964), 131-144.
(15) Vgl. H. Jedin a.a.O. 38: "Ich scheue deshalb auch jetzt noch nicht davor zurück, historische Argumente dafür geltend zu machen, dass das Dekret Haec sancta nicht ein in allen seinen Teilen für alle Zeit verbindliche, von einem legitimen Papst angenommene Glaubenslehre enthält, gebe aber unumwunden zu, dass diese Auffassung auf manche Schwierigkeiten stößt, wenn auch auf geringere als die von Küng vertretene." zitiert nach: Franz Kardinal König, Die Konzilsidee von Konstanz bis Vatikanum II, Köln: J.P. Bachem Verlag, 1965 Druckansicht Zurück