Was Kardinal König mit dem polnischen Kardinal Wyszynski verband
Am 12. September wird der frühere polnische Primas Kardinal Stefan Wyszynski (1901-1981) selig gesprochen. Annemarie Fenzl, Leiterin des Wiener Kardinal-König-Archivs, hat in diesem Zusammenhang an einige zentrale Begegnungen zwischen Kardinal Franz König (1905-2004) und dem polnischen Kirchenmann erinnert. Bei einem Vortrag im Polnischen Kulturinstitut in Wien 1992 hatte König beispielsweise betont, dass er Kardinal Wyszynski als einen "großen Mann seines Vaterlandes und der Kirche" schätze und verehre. Er verneige sich in Ehrfurcht vor seinem Namen und seinem Werk, so König damals.
Wyszynski leitete von 1948 bis 1981 die Polnische Bischofskonferenz und genoss als Gegenspieler des kommunistischen Regimes in Warschau hohes Ansehen. Zudem war er ein Förderer des jungen Krakauer Erzbischofs Kardinal Karol Wojtyla (1920-2005), der 1978 zum Papst gewählt wurde und als Johannes Paul II. entscheidend zum Sturz des Kommunismus beitrug. Die Kommunisten steckten Wyszynski von 1953 bis 1956 ohne Prozess ins Gefängnis.
Fenzl berichtete gegenüber Kathpress über die erste Begegnung Königs mit Wyszynski: In der Mittagszeit des 7. Mai 1957 erreichte König die Nachricht, dass der ihm bis dato persönlich nicht bekannte polnische Kardinal soeben die tschechisch-österreichische Grenze überschritten hatte. Er befinde sich im Schnellzug nach Wien, um dann weiter nach Rom zum Papst zu reisen. Die Nachricht habe sich in Windeseile verbreitet und es stand zu befürchten, dass der Primas bei seinem Eintreffen auf dem Südbahnhof oder vor dem Erzbischöflichen Palais von einer kaum zu bewältigenden Schar von Journalisten und Reportern umringt werden würde.
Um dem hohen Gast einen solchen Wirbel und eine solche Aufregung zu ersparen, fuhr König kurz entschlossen nach Gänserndorf. Dort stieg er in den Schnellzug, um den Kardinal zu begrüßen und ihn einzuladen, in seinem Auto die Weiterreise fortzusetzen. Später meinte König in seinen Erinnerungen an das erste Gespräch mit Wyszynski im Auto nach Wien: "Seine äußere Gelassenheit und innere Zurückhaltung erweckten in mir den Eindruck, dass er mit seinen Gedanken noch in Warschau und bei seiner verfolgten Kirche war." Doch schon bei dieser Begegnung sei deutlich gewesen, dass der Kardinal trotz aller persönlichen Bescheidenheit ein "Leuchtturm" war, "der immer Hoffnung und Zuversicht in den schwierigen Jahren ausstrahlte", wie König es Jahre später formulierte.
Während des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) war Kardinal Wyszynski nicht immer mit den einzelnen Themen und Auseinandersetzungen einverstanden. Er habe manchmal schmerzlich festgestellt, dass die Kirche in den westlichen Ländern sich zu sehr mit sich selbst beschäftige und den großen Problemen der Gesamtkirche mit dem besonders schwierigen Aspekt der Kirche in der kommunistischen Welt wenig Verständnis entgegenbringe, verwies Fenzl auf entsprechende Erinnerungen Königs.
Historisches Konklave
Schließlich sei es auch beim historischen Konklave 1978 zu denkwürdigen Begegnungen zwischen König und Wyszynski gekommen, so Fenzl. Kurz vor Konklavebeginn habe König den Warschauer Kardinal in Rom gefragt, wer denn in seinen Augen ein Kandidat für die nächste Papstwahl sei. Darauf habe ihn Wyszynnski erstaunt angesehen und gemeint, er sehe keinen einzigen Kandidaten, von dem man jetzt schon sagen könnte, er sei "papabile". Als König entgegnete, dass aber Polen vielleicht einen Kandidaten für das kommende Konklave hätte, habe Wyszynski das auf sich bezogen und abgewunken. Wenn er nach Rom ginge, wäre das der größte Triumph für die Kommunisten, die ihn in Polen loswerden wollten. Als König dann aber vom Krakauer Kardinal Karol Wojtyla sprach, meinte Wyszynksli, dass dieser doch keine Chancen habe und auch noch etwas jung sei.
Es kam anders. In dem Moment, als Wojtyla die Wahl annahm, habe sich König zu Wyszynksi umgedreht, der nicht weit von ihm entfernt saß. Dieser sei zutiefst betroffen und gerührt gewesen, als er hörte, dass sein Landsmann, die Wahl annehme, berichtete König später.
Wyszynski war dann einer der ersten Kardinäle, der aufstand und auf den neugewählten Johannes Paul II. zuging, um seinen Respekt, seine Freude und seine große Wertschätzung für ihn zum Ausdruck zu bringen. Über diesen Moment erinnerte sich König später in seiner Rede im Polnischen Kulturinstitut: "In dem Augenblick, als der neugewählte Papst den Kardinal Wyszynski auf sich zukommen sah, stand auch er auf, um ihm zuvorzukommen, um ihn zu umarmen und ihn als den großen Mann des Konzils und der polnischen Nation zu begrüßen. Kardinal Wyszynski wollte aber seine Reverenzbezeugung für den neuen Papst in einer sehr sichtbaren Demutsgeste bezeugen, was der neugewählte Papst wieder nicht zuließ. Dadurch ergab sich fast ein kleines 'Ringen' vor den versammelten Konklave-Vätern." - Eine ähnliche Szene habe sich einige Tage später nochmals abgespielt, als der Papst Wyszynski und die erste polnische Pilgergruppe in Rom begrüßte, so Fenzl.
"Primas des Jahrtausends"
Kardinal Wyszynski starb am 28. Mai 1981. Sein Begräbnis fand am 31. Mai in Warschau statt und war eine der größten religiösen und patriotischen Veranstaltungen im Nachkriegspolen. Nach kommunistischen Angaben nahmen etwa 120.000 Menschen an der Trauerfeier teil, während unabhängige Beobachter die Zahl auf eine halbe Million schätzten. In Polen wird Wyszynski noch immer als "Primas des Jahrtausends" verehrt.
Im Herbst 2019 teilte der Vatikan die Anerkennung eines Heilungswunders auf Wyszynskis Fürsprache mit; damit war der Weg zur Seligsprechung frei. Papst Franziskus bestätigte, dass 1988 eine krebskranke junge Frau nach Fürbitte bei Wyszynski genesen sei; sie ist heute 50 Jahre alt.
Die Seligsprechungsfeier am 12. September in Warschau wird der neue Präfekt der vatikanischen Heiligsprechungskongregation, Kardinal Marcello Semeraro, leiteten. Gemeinsam mit dem Kardinal wird auch die polnische Ordensgründerin Elzbieta Roza Czacka (1876-1961) seliggesprochen.
Quelle: Kathpress