Ansprache zur Eröffnung des Kardinal König Archivs am 24. Juni 2010
Herr Bundespräsident, liebe Frau Fischer, Eminenz, lieber Herr Kardinal, Eminenz, lieber Herr Metropolit, Exzellenz, lieber Herr Diözesanbischof und Präsident der Kardinal König-Stiftung, lieber Herr Weihbischof Krätzl, lieber Herr Baudirektor Arch. Gnilsen, lieber Harald, hohe Geistlichkeit, Mitglieder des Kuratoriums der Kardinal König-Stiftung, werte Gäste, liebe Freunde!
Zu allererst möchte ich Sie alle, die Sie so zahlreich gekommen sind – was uns natürlich sehr freut – um Verständnis bitten, wenn Sie den Festakt überwiegend von außen über eine Videowall mitverfolgen müssen – es ist einfach nicht genug Platz im Inneren des Archivs vorhanden. Im Anschluss an den offiziellen Teil der Eröffnung werden meine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und ich Sie aber dann sehr gerne durch die neuen Räume führen.
Es ist eine Stunde großer Freude über ein – ich glaube, so können wir heute sagen – gelungenes gemeinsames Werk. Für mich ist es vor allem auch eine Stunde großer Dankbarkeit. Der Herr Bundespräsident eröffnet den nunmehr fertig gestellten Raum, in welchem in Zukunft das geistige Erbe Kardinal Königs aufbewahrt wird und Kardinal Schönborn wird im Anschluss daran den Segen Gottes auf uns und den Raum herabrufen.
Vorweg muß vielleicht eines gesagt werden: der Ausdruck „Eröffnung“ des Archivs ist vielleicht etwas irreführend. Denn „Eröffnung“ bedeutet nur, daß wir heute sozusagen offiziell mit der Einräumung des Archivgutes begonnen haben. Aber es bleibt weiterhin und noch für längere Zeit „work in progress“, schon auch im Hinblick auf Archivsperre und Datenschutz – was nicht heißt, daß es nicht begründbare Ausnahmen geben kann. Darüber hinaus werden Katalogisierung, Beschlagwortung, zum Teil bereits notwendig gewordene Restaurierungsarbeiten, zum Beispiel bei kaum mehr leserlichen Fotokopien aus den 60er Jahren, sowie eine schrittweise Digitalisierung die Arbeit der nächsten Jahre bestimmen. Geplant ist auch eine Verknüpfung des Archivs mit der Website (www.kardinalkoenig.at) sowie eine anlaßbezogene Publikation jeweils einzelner Stücke.
Das Kardinal König-Archiv ist ein – bis zu einem gewissen Grad selbständiger – Teil des Diözesanarchivs. In rund 2000 Archivschachteln aus den Jahren 1952/56 bis 2004 bewahrt es den gesamten schriftlichen Nachlass des Kardinals auf: seine persönlichen Dokumente, aber auch seine gesamte amtliche Korrespondenz als Erzbischof von Wien, ein eigenes Fotoarchiv, Tondokumente, dazu seine gesamte Bibliothek und schließlich auch eine große Anzahl dreidimensionaler Gegenstände – Geschenke aus aller Welt. Einen gesonderten großen Bestand – ein Herzstück – bilden die schriftlichen und mündlichen Wortmeldungen des Kardinals zu nahezu allen wichtigen Ereignissen in unserer Heimat und weit darüber hinaus. Viel Raum nimmt naturgemäß das Zweite Vatikanische Konzil ein, Kardinal König war ja Konzilsvater aus Überzeugung. Ihren Niederschlag gefunden haben die römischen Bischofssynoden ebenso wie das römische Sekretariat für den Dialog mit den Nichtglaubenden, dessen Präsident Kardinal König durch 15 Jahre hindurch, von 1965 bis 1980 war, die ökumenischen Stiftung „Pro oriente“, die sich besonders dem Dialog mit den Kirchen des Ostens verschrieb, sowie die zahlreichen Reisen des Kardinals rund um die Welt.
Das Archiv spiegelt aber vor allem wichtige Stationen der Kirche von Wien wieder: die Wiener Diözesansynode von 1969, die die Konzilsbeschlüsse auf die diözesane Ebene übertragen sollte, aber auch Katholikentage und Papstbesuche, Gedenkjahre, den Fall des Eisernen Vorhanges und den Beginn des gemeinsamen Weges nach Europa. So dokumentiert das Kardinal König-Archiv das Leben der Kirche von Wien und Österreich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts: Kardinal König hat die Kirche immer als einen aktiv mitgestaltenden Faktor der Gesellschaft verstanden. Darüber hinaus bezeugt das breite Spektrum des Archivgutes die weltweiten Verbindungen des Kardinals, der immer offen auf die Menschen zugegangen ist.
Und die Aufgabe der Archive ist es, alles das aufzubewahren. Archive sind Hüter der Wahrheit, sind stille, aber aufmerksame und unbestechliche Beobachter. Eine schwierige, aber eine notwendige Aufgabe. Denn immer wieder bedarf es der unaufgeregten Reflexion. Wir wissen aber auch, daß das nicht immer leicht ist.
Kardinal König war und wurde mit zunehmendem Alter ein immer stillerer und unaufgeregter Beobachter des Geschehens. Einer, der Welt und Kirche mit einer unerschütterlich positiven Grundhaltung betrachtete, obwohl es auch ihm nicht immer leicht gemacht worden ist.
Kardinal König war ein Mann der Kirche, der seine Glaubensüberzeugung ernst nahm, der diese aber niemandem aufdrängen wollte. Der lieber versuchte, durch das Beispiel des Lebens andere davon zu überzeugen, daß ein Leben mit Gott eine durchaus realistische Option sein kann.
Kardinal König war ein Meister des Dialogs – über alle religiösen und weltanschaulichen Grenzen hinweg. Das Gespräch, der Dialog, durch den man sowohl von sich erzählt, als auch über den anderen etwas erfährt und so oft unbegründete Ängste und Vorurteile abbauen kann, war für ihn daher vor allem auch ein wichtiges Instrument für den Frieden. Nicht zuletzt deswegen wurde er schon zu Lebzeiten als „Brückenbauer“ bezeichnet.
Und das dominierende architektonische Element des Raumes ist eine Brücke. Ich hatte ursprünglich an eine altbewährte Wendeltreppe gedacht, die die beiden Geschoße mit den Kompaktanlagen im südlichen Teil verbinden sollte. Die Architekten haben aus der Not eine Tugend gemacht und den Gedanken genial umgesetzt – mit einer Brücke. Die Idee der Brücke hat das Ganze überhöht. Die Brücke überspannt den ganzen Raum. Ein Gedanke, der mich sofort begeisterte.
Eine Brücke von den Menschen zum Kardinal, zum Seligen, zum Lebenden. Eine Brücke von einer Seite zur anderen. Eine Brücke von Mensch zu Mensch. Von Mensch zu Gott, wenn man so will. Auch bildlich. Wir erleben hier, wie der Geist eines Menschen einen Raum Zeit überschreitend zu formen vermag.
Woran es heute krankt, ist mangelnde Gesprächskultur. Keiner hört keinem mehr richtig zu. In diesem Sinn und in Erinnerung an Kardinal König legt es sich daher nahe, die Bestimmung dieses Raumes, der Archiv, Bibliothek und Museum des Kardinals vereinigt, über den primären Auftrag hinaus zu erweitern zu einem Ort des Gesprächs, wo man „die Mitte“ finden kann, die Kardinal König Zeit seines Lebens so wichtig war. „Die Größe der menschlichen Seele besteht darin, daß sie sich in der Mitte zu halten vermag. Wer die Mitte verlässt, verlässt die Menschlichkeit…“ hat Blaise Pascal schon vor nunmehr über dreihundert Jahren erkannt. Kardinal König hat ihn – aus Überzeugung – immer wieder zitiert.
Und damit soll dieser Raum, der in Zukunft den Namen eines Meisters des unaufgeregten, vorurteilslosen Gesprächs trägt – als möglicher Konferenzraum – nicht nur der Aufbewahrung von totem Papier, wie manche es wohl empfinden könnten, sondern – wie es Kardinal König mit Sicherheit lieber wäre – der Begegnung lebendiger Menschen dienen.
Ich komme zum Schluss und damit noch zum Wichtigsten, zum Dank.
Ich danke dem Herrn Bundespräsidenten, daß er durch seine persönliche Anwesenheit die zukünftige Bedeutung dieses neuen Archivs unterstreicht.
Ich danke Kardinal Schönborn, daß er mit Großzügigkeit und Voraussicht dieses Unternehmen von Anfang an unterstützt und durch die Jahre hindurch mitgetragen hat. Ich weiß, daß dieser Bau nicht selbstverständlich ist.
Ich danke meinen Kollegen vom Bauamt mit Architekt Gnilsen an der Spitze, in Verbindung mit dem Büro von Architekt Neversal – und ich möchte stellvertretend zwei Namen nennen, die sozusagen als Verbindungsmänner für die gute und konstruktive Zusammenarbeit stehen: DI Finger und DI Ramstein. Und allen gemeinsam möchte ich danken für die einfühlsame Umsetzung einer anspruchsvollen Idee.
Ich möchte auch sozusagen – mehr als nur symbolisch – unserer diözesanen Finanzkammer danken, welche ohne Murren (zumindest habe ich nichts gehört) die notwendigen Mittel zur Verfügung gestellt hat.
Mit innerer Bewegung danke ich den fünf Herren der Wiener Philharmoniker, die Kardinal König die Treue halten über den irdischen Tod hinaus, in schweren wie in schönen Tagen: so wie sie im Dom zu St. Stephan in der Stunde der Trauer da waren, so geben sie auch heute dieser festlichen Stunde durch ihre Musik einen besonderen Glanz.
Ich danke jenen Kollegen, die uns in den letzten Tagen tatkräftig und unkompliziert unterstützt haben – wir sind ja als Diözesanarchiv nur eine kleine Truppe.
Und schließlich danke ich meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, ohne deren großartigen Einsatz wir heute nicht hier sein könnten, die unglaublich hoch motiviert mit mir durchgehalten haben – gemeinsam haben wir etwas Großes und Schönes zustande gebracht.
Und last but not least danke ich dem lieben Gott, der wieder einmal, wie so oft in meinem Leben, alles so wunderbar gefügt hat.