Kardinal König und die Armenier
Die österreichischen Bischöfe haben in ihren Erklärungen zum Gedenken an den Völkermord an den Armeniern vor 100 Jahren auch auf die engen Beziehungen zwischen den Armeniern und Österreich hingewiesen. Das Wiener "Kardinal König Archiv" hat dieser Tage darauf aufmerksam gemacht, wie sehr diese Beziehungen vor allem in der Zeit des Kalten Krieges von Kardinal Franz König (1905-2004) gepflegt wurden und wie sehr er damit auch versuchte, der bedrängten Kirche zu helfen.
Die Verbindung Kardinal Königs zur armenischen Kirche reicht in das Jahr 1961 zurück, als der damals noch junge Katholikos Vasken I. (1908-1994) erstmals anlässlich eines Wien-Besuches mit König zusammentraf. Das war noch vor der Gründung der Ökumenischen Stiftung "Pro Oriente" (1964). Weitere Treffen mit Katholikos Vasken I. gab es dann 1966, 1968 und 1969.
Im September 1980 machte Kardinal König mit einer Delegation von "Pro Oriente", im Anschluss an einen Besuch im russisch-orthodoxen Patriarchat in Moskau und Sagorsk, einen Besuch im armenischen Katholikosat von Etschmiadzin. Ein halbes Jahr darauf, im April 1981, erfolgte dann ein Gegenbesuch des Katholikos in Wien, in dessen Zusammenhang dieser auch im Stephansdom das Wort ergriff.
Diese Besuche fielen in eine Zeit, in der sich die Armenisch-apostolische Kirche in einer äußerst schwierigen Situation befand. In der armenischen Sowjetrepublik lebten drei Millionen, in anderen Sowjetrepubliken etwa zwei Millionen Armenier, der Rest der rund sieben Millionen Gläubige verteilte sich über alle Länder der Welt, mit besonderen Zentren im Libanon, in Frankreich und in den USA. In der Sowjetunion bemühte sich der Katholikos, das kirchliche Leben unter einem atheistischen Regime aufrechtzuerhalten; im Libanon, wo sich in Antelias der Sitz des Katholikosats von Kilikien befindet, kamen die Armenier im libanesischen Bürgerkrieg zwischen alle Fronten; in der Türkei war die Lage für die vielleicht 70.000 verblieben armenischen Christen traditionell schwierig.
Erst nach dem Tode Stalins (1953) konnte Vasken I., der 1955 zum Oberhaupt der Kirche gewählt wurde, das kirchliche Leben in der damaligen Sowjetrepublik Armenien schrittweise stabilisieren und erneuern. Der Katholikos sah bei seinem Wien-Besuch 1981 die Entwicklung durchaus positiv, natürlich im Rahmen eines prinzipiell atheistischen Regimes: "Deutlich ist die Tendenz zu mehr gutem Willen in den Beziehungen zu erkennen. Wir sind frei in unserem Verhältnis zum Auslands-Armeniertum, wir empfangen Gäste aus aller Welt, reisen selbst dorthin. Wir respektieren aber auch selbstverständlich, was jedem Staatsbürger geboten ist."
Um 1980 gab es in armenischen Sowjetrepublik rund 50 Kirchen von ehemals vielen Hundert, von den Klöstern blieben vier. Neubauten gab es keine, dafür wurden zwei alte Kirchen zurückgegeben, für Renovierungen sei damals Material "laut Plan" zur Verfügung gestellt worden, wie sich der Katholikos ausdrückte. Ein weiteres Zugeständnis des Sowjet-Regimes: Das Neue Testament konnte in einer Auflage von 20.000 Stück erscheinen. Das Papier dazu sei aus dem Ausland gekommen.
Katholikos Vasken I. ließ bei seinem Besuch in Wien gegenüber Medien durchblicken, dass es innerhalb der Kirche heftige Konflikte zwischen pro-sowjetischen und antisowjetischen Kräften gab. In entscheidenden Fragen ergebe sich freilich immer wieder Gemeinsamkeit, denn der Völkermord im Ersten Weltkrieg habe allen Armeniern bewusst gemacht, wie sehr sie auf Leben und Tod zusammengehörten. Schon damals sprach sich der Katholikos für eine Versöhnung mit der Türkei aus, freilich: auf die Anerkennung des Völkermordes bestand er ebenfalls. - 34 Jahre danach hat sich an der Ausgangssituation scheinbar nichts geändert.
Quelle: Kathpress