Der Kardinal, der gar nicht Erzbischof werden wollte
Eine "machtvolle Kundgebung des katholischen Wien" war es laut dem Archiv der katholische Presseagentur Kathpress. Begleitet von zehntausenden Gläubige und den Glockenschlägen der Pummerin zog der neue Wiener Erzbischof Franz König (1905-2004) vor 60 Jahren, am 17. Juni 1956, zu seiner Amtseinführungsfeier von der Augustinerkirche zum Stephansdom. "Ich komme nicht als euer Herr, sondern als euer Mitbruder", wandte er sich in der ersten Predigt an die Priester seiner neuen Diözese. Das Bischofsamt laste auf seinen Schultern ebenso schwer, wie die Seelsorgsarbeit auf den Priestern, sagte König. Worte aus dem Mund einer der prägenden Gestalten in die Kirchengeschichte des 20. Jahrhunderts, die gar nicht Bischof und schon gar nicht Erzbischof hatte werden wollen.
Der Bauernsohn aus dem niederösterreichischen Pielachtal sah ursprünglich seine Zukunft neben dem Priesteramt eher in der wissenschaftlichen Theologie. Als er 1956 von der päpstlichen Entscheidung erfuhr, dass er nächster Erzbischof von Wien werden solle, war König jedoch schon seit vier Jahren Weihbischof und Koadjutor des St. Pöltner Bischofs Michael Memelauer. In Wien war im Oktober 1955 Kardinal Theodor Innitzer gestorben. Viele rechneten damit, dass Papst Pius XII. (1939-1958) den Erzbischof-Koadjutor Franz Jachym (1910-1984) zum Nachfolge Innitzers ernennen würde.
Die päpstliche Entscheidung war daher eine Überraschung, die angesichts bestehender großer Unsicherheiten über die Kirche Wiens und Österreichs Königs Unbehagen offenbar noch beförderte. Bei einem geheimen Rom-Besuch trug er dem Papst persönlich seine Bedenken vor. Pius XII. habe ihm zugehört, schilderte König Jahrzehnte später in einem TV-Interview, und am Ende des Endes Gesprächs gemeint: "Fahren Sie nach Hause - Sie werden von mir hören."
Die endgültige Entscheidung des Papstes hörte König wenige Tage danach zuerst aus dem Mund des damaligen österreichischen Außenministers Leopold Figl. "Er sagte: Hurra, Sie werden Erzbischof von Wien", erinnerte sich König später genauso an die Worte Figls wie an seine eigene Antwort: "Für Sie ist es Hurra, für mich ist es nicht gerade ein Hurra."
Am 10. Mai 1956 ernannte Pius XII. Franz König offiziell zum neuen Wiener Erzbischof. Vier Wochen später, am 7. Juni, trat er formell sein Erzbischofsamt an. Er sei dem Ruf des Papstes nur "schweren Herzens" gefolgt, vertraue jedoch auf die Gnade Gottes und die Unterstützung durch seine Mitarbeiter, sagte König bei der Zeremonie mit dem Wiener Dom- und Metropolitankapitel anlässlich der Verlesung seiner Ernennungsurkunde.
Einzug am 17. Juni mit Cappa Magna
Am 17. Juni 1956 folgte die feierliche Inthronisation. Archivfotos zeigen König, wie er mit der mehreren Meter langen Cappa Magna - einem ärmellosen Umhang mit Schleppe, den Kardinäle und Bischöfe bei besonderen Anlässen damals üblicherweise trugen - durch die Menschenmassen Richtung Stephansdom zieht. Die Menge applaudiert, während der neue Erzbischof durch langsam durch das dichte Menschenspalier geht und dabei grüßt und segnet. "Großer Jubel begrüßte den neuen Erzbischof", hielt die Pfarrchronik von St. Stephan fest.
Gleich in seiner ersten Predigt rückte Erzbischof König noch unter dem Eindruck des feierlichen Empfangs aber auch die Dimensionen zurecht. "Der festliche Glanz des ersten Einzuges hat mich nicht gehindert, mir gleichzeitig auch meinen letzten Auszug als Toten vorzustellen, wenn ich dann den Rechenschaftsbericht abzulegen habe über meine Verwaltung", sagte er während der Inthronisation in St. Stephan. Er komme als Mitbruder betonte König in Richtung der Priester und Ordensleute. "Lasst uns alle eins sein, nicht in einer Person, sondern durch das Bischofsamt, das auf meinen Schultern ebenso schwer lastet wie die Seelsorgsarbeit auf euch."
Worte Königs, die sich als Vorboten eines neuen Verständnisses vom Bischofsamt deuten lassen. Im Bischofsamt vertrat er zudem zeitlebens mit Nachdruck das Prinzip der gemeinsamen Verantwortung von Priestern und Laien für das Leben und Wirken der Kirche. Eine Entwicklung, die untrennbar auch mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) verbunden ist, und zu dessen führenden Persönlichkeiten der Erzbischof von Wien wenige Jahren nach seiner Ernennung zählen sollte. "Das Erwachen eines neuen Kirchenbewusstseins unter den katholischen Laien und ihrer Mitarbeit am hierarchischen Apostolat scheint mir eine Signatur unserer Zeit zu sein und, wenn nicht alles täuscht, auf das Erwachen eines neuen religiösen Frühlings hinzuweisen", sagte König schon bei seiner Amtseinführung vor 60 Jahren.
Drei Jahrzehnte lang, bis September 1985, sollte König - ab 1958 als Kardinal - an der Spitze der Erzdiözese Wien stehen und zahlreiche auch weltkirchlich bleibende Wegmarken für die katholische Kirche hinterlassen. Neben seinem Einfluss beim II. Vaticanum und im interreligiösen Dialog zählt dazu auch die Überwindung der Isolierung der Kirche im kommunistischen Machtbereich. "Und wenn ich den Blick über die Grenzen der Diözese nach Osten und Süden richte, dann wird mir noch einmal eindringlich klar, dass der Bischof bereit sein muss, seinen Gläubigen in den Kerker und in das Martyrium voranzugehen", sagte König bei seiner ersten Predigt 1956 in Wien. Als erster "westlicher" Kardinal reiste der Wiener Erzbischof in den Folgejahren nach Osteuropa und forcierte die Kontakte mit Bischöfen, Priestern und Gläubigen der Nachbarkirchen in diesen Ländern.
Quelle: Kathpress