Kardinal-König-Gespräche: Die Berge als "Schule des Lebens"
Der frühere Wiener Erzbischof Kardinal Franz König (1905-2004) war nicht nur leidenschaftlicher Bergsteiger, sondern bezeichnete die Berge auch oft als "Schule des Lebens": Das hat die Leiterin des Kardinal-König-Archivs, Annemarie Fenzl, beim diesjährigen "Kardinal-König-Gespräch" in Kirchberg an der Pielach berichtet. In den Bergen geübte Tugenden - darunter Rücksicht auf den Nächsten, Sorgsamkeit und Vorsicht ohne Angst, Vertrauen in die Bergkameraden und auf sich selbst - habe König auch im Alltag stets hochgehalten, so dessen langjährige Sekretärin bei der Veranstaltung am vergangenen Samstag in den einleitenden Worten zum Hauptreferat des blinden Extrembergsteigers Andy Holzer, der über das Thema "Der Sinn des Lebens" sprach.
Kardinal König sei bis ins hohe Alter ein leidenschaftlicher Gipfelstürmer gewesen und habe wichtige Lebensentscheidungen in den Bergen getroffen, erklärte Fenzl. So habe der langjährige Wiener Erzbischof bei seinen alljährlichen Sommerurlauben in Vorarlberg dort fast alle bekannten Gipfel bestiegen, darunter auch am 25. August 1978, als bereits 73-Jähriger, die 2643 Meter hohe Zimba, die höchste Erhebung des Rätikon. Am gleichen Tag fuhr er danach abends noch von Schruns nach Zürich und flog von dort weiter nach Rom, um bereits am nächsten Tag im Konklave Albino Luciani zu Papst Johannes Paul I. (1978) zu wählen.
Im Wiener Arbeitsalltag sei für Kardinal König jeden Mittwoch der Gang auf den Leopoldsberg zur dortigen Kirche ein notdürftiger Ersatz für das Berggehen gewesen, ebenso wie die tägliche Nutzung seines "Zimmerfahrrads", berichtete Fenzl. Die drei Fragen "Woher komme ich? Wohin gehe ich? Welchen Sinn hat das Leben?" hätten König zu einer Lebenshaltung veranlasst, "die sich selbst keinen Augenblick der Gedankenlosigkeit oder des gemütlichen Zurücklehnens gestattete und sich immer ihres ständigen Unterwegsseins bewusst war - wie ein Wanderer, der endlich den Gipfel vor Augen hat, den er möglichst vielen zeigen will".
Jede seiner "Gipfelmessen" habe der im 99. Lebensjahr verstorbene Kardinal mit dem kurzen Psalm 121 beendet, sagte Fenzl. Der als Wallfahrtslied verfasste Bibeltext beginnt mit den Worten: "Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen. Woher kommt mir Hilfe? Meine Hilfe kommt vom Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat. Er lässt deinen Fuß nicht wanken. Er, der dich behütet, schläft nicht."
Sinnfrage als Grundmerkmal des Menschen
Auf einen weiteren begeisterten Alpinisten, Bergsteiger und Sinnsucher, Viktor Frankl (1905-1997), verwies der Mitorganisator des Kardinal-König-Gesprächs, Heinz Nußbaumer, der krankheitsbedingt nicht teilnehmen konnte und sich in einem Grußwort an das Publikum wandte. "Wer etwas hat, das ihm wichtig und wertvoll ist, wofür er brennt, der steht auch wieder auf", deutete der "Furche"-Herausgeber das Lebensmotto des Psychiaters und Neurologen, der nach den Erfahrungen des Konzentrationslagers im Buch "Trotzdem Ja zum Leben sagen" dazu aufgerufen habe, sogar im Leiden einen Sinn zu erkennen. Erst die Frage nach dem Lebenssinn mache den Menschen zum Menschen, so Nußbaumer; eine Antwort darauf finden könne jeder nur für sich selbst, wobei die Eigenliebe allein zu kurz greife.
Kardinal König habe daran erinnert, dass Menschen wie das Kreuz in zwei Balken eingespannt seien, betonte Nußbaumer: "In den horizontalen Balken, also den Blick auf das 'Ich' und das 'Du', und in den senkrechten Balken, den Blick nach oben zu unserem Schöpfer und zu unserer Verantwortung für die Schöpfung. Erst aus beiden Blickrichtungen ergibt sich der ganze Sinn und bleibende Auftrag unseres Lebens".
Sehenden die Augen öffnen
Hauptreferent der Gespräche war heuer der blinde Extrembergsteiger Andy Holzer, der als sein Lebensmotto "Den Sehenden die Augen öffnen" bezeichnete. Sein Anliegen sei, Menschen aus seiner besonderen Lebenssituation heraus zum Wesentlichen hinzuführen, erklärte er. Das menschliche Dasein sei "wohl nicht in vollendeter Perfektion gedacht". Diese Begrenzung rege zum Nachdenken über den Lebenssinn an: Es sei ausschließlich "das reine, aus ganzem Herzen versuchte Bemühen", was "Wärme und Farbe ins Gemüt bringe", so der 52-jährige Alpinist und Erfolgsautor aus Osttirol.
Im Leben gehe es nach Holzers Worten nicht darum, Perfektion anzustreben, sondern vielmehr, "es immer und immer wieder, wie ein kleines Kind am Sandkasten, nach all seinen Möglichkeiten aufs Neue zu versuchen". Seine Erkenntnis nach vielen Jahren: "Es gibt weder einen Menschen, der alles kann, noch einen, der gar nichts kann."
Holzer sprach sich weiters für "emotionale Intelligenz und dynamische Führung" aus und betonte, jeder habe seine Rolle, die es nur zu finden gelte. Als Blinder gebe es für ihn beispielsweise beim Fußballspielen tagsüber bis zum Einbruch der Dämmerung keine Aufgabe, "wohl aber danach", so der Extremsportler, der seinen Vortrag mit der nachdenklich machenden Feststellung "Ich habe noch nie so viele Blinde getroffen als unter den Sehenden" beendete.
Jährliches Gedenken
Mit dem jährlichen Kardinal-König-Gespräch wird in den Pielachtal-Gemeinden Rabenstein und Kirchberg das Andenken an den früheren Wiener Erzbischof Kardinal Franz König, der hier geboren wurde und seine Kindheit verbracht hat, hochgehalten. Die heurige zwölfte Auflage, zu der u.a. auch der St. Pöltner Diözesanbischof Alois Schwarz und Prälat Johannes Oppolzer kamen, wurde am Samstag mit einer Gedenkmesse in Kirchberg eröffnet. Sie endete am Sonntag mit einem Festgottesdienst in der zwischen den beiden Gemeinden liegenden Andreaskirche.
Gottfried Auer, Obmann des mitveranstaltenden Vereins "Kardinal König - Glaube und Heimat im Pielachtal", kündigte die Fortsetzung des Gesprächs für den 29. August 2020 um 19:30 Uhr in Kardinal Königs Geburtsgemeinde Rabenstein an der Pielach an. Die 13. Folge wird dem Thema "Pilgern" gewidmet sein.
Kardinal Franz König wurde am 3. August 1905 im Rabensteiner Ortsteil Warth geboren und am 5. August in der Rabensteiner Pfarrkirche getauft. Er besuchte die Volksschule in Kirchberg an der Pielach, von wo aus ihn sein Weg in die Weltkirche führte. Von 1956 bis 1985 war König Erzbischof von Wien. Er verstarb am 13. März 2004 in Wien.
Quelle: Kathpress