Mariazeller Matinée 1996: "Meine Seele soll jubeln über meinen Gott"
In der vorweihnachtlichen Liturgie kommt für katholische Christen, für alle Christen, die Stimme des großen Propheten Jesaja aus dem Volke Israel auch heuer wieder zu uns. Er ist der erste der vier großen Propheten und lebte im achten Jahrhundert vor Christus. Die Leuchtkraft seiner Bilder, die majestätische Wucht, aber auch die ausgewogene Erhabenheit seiner Worte wurde von niemand anderem aus den späteren Generationen erreicht. Die neue Jerusalemer Bibel stellt fest: Jesaja ist nicht nur ein genialer Dichter, sondern auch ein religiöses Genie; er zählt heute zur Weltliteratur. Von Freude erfüllt, weist er auch uns auf den kommenden Messias als Nachkomme Davids hin:
"Der Geist Gottes, des Herrn, ruht auf mir, denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine Frohe Botschaft bringe und alle heile, deren Herz zerbrochen ist, damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Gefesselten die Befreiung. ... Von Herzen will ich mich freuen über den Herrn. Meine Seele soll jubeln über meinen Gott. Denn er kleidet mich in Gewändern des Heils, er hüllt mich in den Mantel der Gerechtigkeit, wie ein Bräutigam sich festlich schmückt und wie eine Braut ihr Geschmeide anlegt. Denn wie die Erde die Saat wachsen läßt und der Garten die Pflanzen hervorbringt, so bringt Gott, der Herr, Gerechtigkeit hervor und Ruhm vor allen Völkern." (61)
"Wie willkommen sind auf den Bergen die Schritte des Freudenboten, der Frieden ankündigt, der eine frohe Botschaft bringt und Rettung verheißt, der zu Zion sagt: Dein Gott ist König. Horch, deine Wächter erheben die Stimme, sie beginnen alle zu jubeln. Denn sie sehen mit eigenen Augen, wie der Herr nach Zion zurückkehrt. Brecht in Jubel aus, jauchzt alle zusammen, ihr Trümmer Jerusalems, denn der Herr tröstet sein Volk, er erlöst Jerusalem. Der Herr macht seinen heiligen Arm frei vor den Augen der Völker, alle Enden der Erde sehen das Heil unseres Volkes." (52)
Diese Freude über das Kommen des Heils stelle ich hinein in das erhabene Gottesbild des Propheten, (40,12), das heute unterstrichen wird durch die Erkenntnisse der modernen Naturwissenschaften, von den Gesetzen des Mikrokosmos bis in den Makrokosmos des Universums.
"Wer misst das Meer mit der hohlen Hand? Wer kann mit der ausgespannten Hand den Himmel vermessen? Wer wiegt die Berge mit einer Waage und mit Gewichten die Hügel? Wen fragt er um Rat und wer vermittelt ihm Einsicht? Wer kann ihn über die Pfade des Rechts belehren? Wer lehrt ihn das Wissen und zeigt ihm den Weg der Erkenntnis? Seht, die Völker sind wie ein Tropfen am Eimer, Sie gelten so viel wie ein Stäubchen auf der Waage. Ganze Inseln wiegen nicht mehr als ein Sandkorn. Alle Völker sind vor Gott wie ein Nichts, vor ihm sind sie wertlos und nichtig. Mit wem wollt ihr Gott vergleichen und welches Bild an seine Stelle setzen? Hebt eure Augen in die Höhe, und seht: Wer hat die Sterne dort oben erschaffen? Er ist es, der ihr Heer täglich zählt und heraufführt, der sie alle beim Namen ruft. Vor dem Allgewaltigen und Mächtigen wagt keiner zu fehlen. Weißt du es nicht, hörst du es nicht? Der Herr ist ein ewiger Gott, der die weite Erde erschuf."
Diese Gedanken des Propheten Jesaja verbinden sich heute mit der Musik des großen Beethovens.